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Einleitung.
Die gesetzlichen Grundlagen, auf denen gegenwärtig die Verfassung der
politischen Gemeinden, insonderheit der Stadtgemeinden, des Königreichs
Sachsen beruht, sind nicht Erzeugnisse rein theoretischer Erwägungen und
gesetzgeberischer Experimente, sondern die Früchte einer langjährigen, ziemlich
stetig verlaufenen Entwicklung, deren Anfänge etwa in das Jahr 1830,
also in die Zeit fallen, in der Sachsen sich anschickte, aus den Banden des
feudalen Territorialstaates heraus= und in die Reihe der konstitutionellen
Staaten einzutreten. Wenn auch auf diese Bewegung! die sich damals
mehr und mehr ausbreitende Theorie des konstitutionellen Liberalismus
sicherlich nicht ohne Einfluß war, so hat sie doch weder den Hauptgrund
noch auch den ersten äußeren Anstoß gegeben; vielmehr waren es zunächst
rein örtliche, ja vielfach sogar rein persönliche Übelstände, welche den Stein
ins Rollen brachten, namentlich die Mißregierung der städtischen Magistrate,
die sich vielfach in der Form rücksichtsloser Willkür, schamloser Vettern-
herrschaft und finanzieller Mißwirtschaft bis zur Unerträglichkeit gesteigert
hatte und im Jahre 1830 zu den Unruhen führte, durch welche die immer
unvermeidlicher gewordene Umgestaltung der innerpolitischen Verhältnisse
Sachsens eingeleitet wurde, zu Unruhen, die lediglich den Charakter von
„Stadtrevolutionen“ trugen.
Zwar war die Regierung immer bestrebt gewesen, den Ubelständen zu
steuern: schon Johann Georg II. hatte im Jahre 1659 anbefohlen, daß die
Rats= und Gemeinderechnungen alljährlich „richtig eingegeben und abgelegt"
werden sollten, und daß, ehe dies geschehen, „keine Ratswahlen eingesendet, noch
von der Landesregierung angenommen und bestätiget“ werden sollten, was
Johann Georg IV. durch einen Befehl vom 4. Januar 1693 einschärfte?,
und am 31. März 17163 wurde unter ernster Rüge der „bei Besetzung der
1 Vgl. hierzu: Flathe, Geschichte des Kurstaates und Königreichs Sachsen.
Gotha 1873, III. Bd., S. 414 ff. v. Witzleben, Die Entstehung der konstitutionellen
Verfassung des Königreichs Sachsen. Leipzig 1881. S. 134 ff., 326 ff.
2 C. A. I, S. 1686.
3 C. A. C. II, T. 1, S. 591.
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