I. Verfassung. § 111. 99
„Die Stände — Wege bis zur obersten Staatsbehörde ge-
langt — entweder an das betreffende Mimsterium oder die — Dis-
cussion in den Kammern, dem Könige zur geneigten Berück-
sichtigung — eröffnet werden. Ueberhaupt wird auf jeden von
den Ständen an den König gebrachten Antrag ihnen eine Ent-
schließung. und zwar bald möglichst, ertheilt werden.“
Die Stände beantragten, den letzten Satz (Ueberhaupt 2c.) hier
zu streichen, dafür aber den besonderen § 113 in die Verfassung ein-
zuschalten. Die Regierung nahm diesen Antrag an.
Wie und warum die Worte „bis zur obersten Staatsbehörde“ in
die Worte „bis zu dem betreffenden Ministerialdepartement“ geändert
wurden, ist aus den Landtagsacten nicht zu ersehen.
2. Vom Beschwerderecht der Unterthauen im Allg. handelt §s 36
der Vu; § 111 betrifft nur die Anbringung von Beschwerden bei den
Ständen, und, das Verhalten der Stäude bez. solcher Beschwerden
genauer zu bestimmen, ist seine besondere Aufgabe. Auffallen muß
es, daß nach § 36 der Einzelne seine Beschwerde an die Stände erst
bringen darf, wenn er bereits bis zur „obersten Staatsbehörde“ ge-
gangen war, während nach § 111 die Beschwerde schon dann an die
Stände gebracht werden kann, wenn sie zuvor „bis zu dem betreffenden
Ministerialdepartement gelangt“ war. Dieser Widerspruch fand sich
im Geheimraths-Entwurf noch nicht s. o. Anm. 1. Da die Aenderung
nicht wohl auf Versehen beruhen kann, so wird sie als beabsichtigt und
rechtmäßig, obwohl nicht erklärt, an zusehen sein. Es ist uicht unwahr-
scheinlich, daß schon die ursprüngliche Fassung beider §5 unter der
obersten Staatsbehörde das Ministerium verstanden hat s. o. zu § 41.
Da unm aber § 111 des Entwurfs gleich in dem auf die angezogene
Bestimmung folgenden 2ten Satz wieder von der obersten Staatsbehörde
spricht, und zwar ansdrücklich in der Unterscheidung vom Ministerium,
so lag es nahe, im ersten Satz den irreführenden Ausdruck zu ver-
ändern. Wollte man umgekehrt annehmen, daß in beiden §s§ zuerst
wirklich das Gesammtministerium als höchste Beschwerdeinstanz habe
aufgestellt werden wollen, dann wäre die Aenderung des § 111 als
beabsichtigte Aenderung nicht blos des Ausdrucks, sondern des Sinnes
anzusehen. Auch in diesem Fall müßte diese Aenderung des § 111
entscheidend sein und auch § 36 sich ihr fügen. In beiden Fällen
wäre das Resultat der Auslegung, daß das Gesammtministerium keine
Beschwerdeinstanz sei. Man könnte endlich auch versucht sein, die bei-
den 88 in der Weise zu vereinigen, daß § 36 das Gesammtministe-
rium als höchste Beschwerdeinstanz zuließe, § 111 aber den
Einzelnen gestattete, auch schon vom Einzelministerium aus an die
Stände zu gehen. Diese Auslegung ist an sich wenig wahrscheinlich.
Sie wird auch widerlegt durch die VO. v. 7. Nov. 1831, von der
man annehmen kann, daß sie aus dem für richtig erachteten Sinn der
Verfassung herausgewachsen sei. Nach dieser VO. kommt die Verwal-
tung auf höchster Stufe unterhalb des Königs und die Aussicht nach
unten den Einzelministern, nicht auch nach dem Gesammtministerium zu.
Das Gesammtministerium hat sich nach § 4 G 3 allerdings auch mit
Beschwerden Einzelner zu befassen, aber nicht als Beschwerdeinstanz,
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