Full text: Verhandlungen des Reichstags. 314. Band. (314)

6285 
  
  
  
—. 
(v. Graefe, Abgeordneter.) 
sich reden läßt, sobald man nur von dem Gesichtspunkt 
ausgeht, daß man es eben nur so betrachten will, wie es 
in Bayern ist und auch im alten Preußen war. Die 
Ansicht meiner Freunde mag vielleicht darüber geteilt sein, 
aber jedenfalls wäre diese Frage, wenn sie nicht verbunden 
wäre mit der Tendenz, die Kommandogewalt auszu- 
schalten — das ist der entscheidende Unterschied —, für 
uns diskutabel, ohne daß ich übrigens alle meine Freunde 
auf diese meine Auffassung festlegen will. 
Dasselbe gilt von dem, was vielfach in wirtschaft- 
lichen Fragen stattfindet. Daß das Ministerium als 
wirtschaftlicher Körper und Geschäftsmann oft nicht glücklich 
ist, das wissen wir alle. Wenn in der Beziehung durch 
die Verantwortlichkeit manches geändert werden könnte, 
so ließe sich darüber gleichfalls reden, und da würden Sie 
auch bei uns mancherlei Zustimmung gefunden haben. 
Jedenfalls hätten wir eine Einigung finden können. Aber 
ich wiederhole: das ist nicht die eigentliche Tendenz Ihres 
Antrags — Sie behaupten es auch nicht! —, sondern 
das ist eine kleine Nebenwirkung, die Sie gerne mit- 
nehmen. Sie wollen aber vor allen Dingen die voll- 
kommene Ausschaltung der Kommandogewalt oder, wie 
Wilson es ausdrückt: „wenn es noch nicht möglich ist, 
die allerhöchste Stelle ganz zu beseitigen, dann macht sie 
wenigstens tatsächlich vollkommen bedeutungslos“. Das 
wollen Sie damit erreichen, und das ist die effektive 
Wirkung dieser Sache. Und das soll man als alter 
Soldat, als alter Preuße, als Deutscher, der die Stärke 
unseres Vaterlandes bisher in der Armee und in ihrer 
Struktur gesehen hat, einfach kalten Herzens mitmachen? 
Nein, meine Herren, das können Sie nicht verlangen! 
(Sehr richtig! rechts. — Zurufe von den Sozial- 
demokraten.) 
— Ob ich mich begraben oder verbrennen lassen will, 
das müssen Sie schon mir und meinen Erben zur Ent- 
(Erneute Zurufe.) 
Dazu kommt nun noch eine ganz besondere Schwierig- 
keit dadurch hinzu, daß wir kein Reichsheer, sondern eine 
Reihe von Kontingentsheeren haben, an deren Spitze die 
Kontingentsherren, die Landesfürsten, stehen, und im 
Kaiser nur für den Kriegsfall den Oberkommandierenden 
haben, sonst aber für ihn nur Inspektionsrechte, die aber 
auch noch nicht einmal die Exekutive des Erfolges der 
Inspektion zulassen. Das macht es gerade so ungeheuer 
schwierig, auch vom Verfassungsstandpunkt aus, mit einer 
derartigen Fassung, wie Sie sie hier vorgelegt haben, die 
Sache zu einem praktischen Resultat zu bringen. 
Ganz dunkel war mir dabei die bayrische Extrawurst, 
die der Herr Kollege Müller (Meiningen) bei dieser Ge- 
legenheit wieder für seine engere Heimat haben wollte. 
urufe. 
Wenn Sie die Rechte Preußens in der Verfassung be- 
schneiden, so liegt kein Grund vor, die alten bayrischen 
Reservatrechte nicht auch entsprechend dem neuen parla- 
lamentarischen System des Reichs anzupassen. 
(Zurufe links.) 
Sie müßten dann auch unter die Bestimmung fallen: 
Die Ernennung, Versetzung, Beförderung und 
Verabschiedung der Offiziere und Militärbeamten 
eines Kontingents erfolgt unter Gegenzeichnung 
des Kriegsministers des Kontingents. Die Kriegs- 
minister sind dem Bundesrat und dem Reichstage 
für die Verwaltung ihres Kontingents verant- 
wortlich. 
Nun, warum wollen Sie das für Bayern anders machen? 
Da wollen Sie die alten Verhältnisse und Reservatrechte 
bestehen lassen, die sollen nicht aufgehoben werden. Ich 
verstehe aber nicht, warum Sie dann als Bayern über 
den preußischen König verfügen wollen, diesen dem Reichs- 
(8) scheidung überlassen. 
Reichstag. — 197. Sitzung. Sonnabend den 26. Oktober 1918. 
  
kanzler unterstellen, Ihren König aber nicht unterstellen (O 
wollen? 
(Sehr richtig! rechts.) 
Wie wollen Sie das in Einklang bringen mit der Ge- 
rechtigkeit und mit dem Grundgedanken der neuen Ver- 
fassung im Reiche? 
Meine Herren, nach der bisherigen Verfassung war 
es wohl denkbar, daß sich die einzelnen Kontingentherren 
unter den Oberbefehl des Königs von Preußen als 
Primus inter pares stellten, aber es ist nach meiner 
Auffassung nicht denkbar, daß die Kontingentsherren sich 
ohne weiteres der jetzigen Regierung, dem Reichskanzler, 
der weiter nichts ist als ein Beauftragter der jeweiligen 
Reichstagsmehrheit, militärisch unterstellen. Wie Sie das 
verfassungsrechtlich mit Ihrem Gefühl vereinbaren wollen, 
ist mir nicht verständlich. 
Es gibt auch der „Vorwärts"“ schon deutlich zu, was 
damit gemeint ist. Er sagt, daß die ganze Regierungs- 
gewalt, also auch die Kommandogewalt des Kaisers, ein- 
fach in die Hand der Regierung gegeben werden soll. 
Ich habe hier schon einmal von derselben Stelle aus 
darauf hingewiesen, daß das Ziel des parlamentarischen 
Regimes nur einen Schattenkaiser übrig lassen würde. 
Damals haben Sie mir sehr entrüstet widersprochen und 
gesagt: wir wollen keinen Schattenkönig, der König im 
parlamentarischen Regime hat sogar eine bessere Stellung 
als im konstitutionellen Staate. Heute sind Sie dabei, 
der Wilsonschen Forderung nachzugeben, und fordern 
selbst einen Schattenkönig! Tun Sie das freiwillig, 
weil Sie Ihre Ansicht geändert haben, oder tun Sie 
es, weil Wilson es verlangt? Jedenfalls sind wir heute 
so weit, wie das ein Antrag verlangte, der einmal von 
dem Abgeordneten Dr. Cohn gestellt worden ist, unsere 
Heerführung, unsere ganze Armeeleitung, unter die Kon- 
trolle einer parlamentarischen Kommission zu stellen, — 
ein Antrag, der im deutschen Volke draußen vielfach mehr (D) 
als ein humoristischer aufgefaßt wurde, 
(sehr richtig! rechts) 
vielleicht nicht wegen der Person des Antragstellers, 
sondern wegen des Gedankens, ausgerechnet Hindenburg 
und unsere anderen Heerführer unter eine parlamentarische 
Kontrollkommission des Abgeordneten Cohn zu stellen. 
Wir sind heute tatsächlich so weit! Wenn der „Vorwärts“ 
schreibt, es gehöre auch dazu die Beförderung, Ernennung 
und Verabschiedung der Offiziere bis zum höchsten General- 
stabsoffizier, so sollen tatsächlich auch unser Generalstab, 
unsere Heerführer usw. formell dem Reichskanzler, praktisch 
dem Mehrheitsausschuß des Reichstags unterstellt werden. 
(Sehr richtig!) 
Denn wenn Sie jetzt den Generalstab extra aufzuführen 
noch unterlassen haben — ich weiß nicht warum —, so 
ist das eine reine Außerlichkeit, weil ja in dem Moment, 
wo unter Ihrer Kontrolle die höchsten Stellen in der 
Armee besetzt werden sollen, auch der Generalstab unter 
diesen Kontrollausschuß gestellt wird. Darum steht er 
auch genau so unter der Parlamentskontrolle, wie wenn 
Sie es in dem Antrage ausgesprochen hätten. 
(Sehr richtig! rechts. — Zurufe links.) 
— Ich weiß es nicht, aber nach dem Artikel der „Tante 
Voß“ ist es so. 
(Erneute Zurufe links.) 
— Ich danke Ihnen, daß Sie mir durch Ihre lebhaften 
Gegenreden Gelegenheit geben, meine Stimme, die von 
meiner letzten Erkrankung noch nicht ganz hergestellt ist, 
etwas auszuruhen. 
Die Hinweise, die ich vorhin als unzutreffend be- 
jeichner habe, auf Bayern und auf die früheren Zustände 
n Preußen, die werden nun gewöhnlich von Ihnen er- 
gänzt noch dadurch, daß sie auch auf Frankreich kmegen 
und sagen: in Frankreich sind die Zustände in ähnlicher 
865“
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.