Full text: Verhandlungen des Reichstags. 314. Band. (314)

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(Graf v. Westarp, Abgeordneter.) 
(A) nahe gelegen, auf folgendes hinzuweisen: wenn der Prä- 
r— 
sident Wilson sich entschlossen hätte, und sobald er sich 
entschließen würde, auf unser Waffenstillstandsangebot 
einzugehen, dann würde ja jede Zerstörung des Kampf- 
geländes und jeder U-Boot-Krieg von selbst aufhören. 
Die Verantwortung, wenn die Dinge weitergehen, liegt 
bei ihm und nicht bei uns. « 
(Sehr richtig! rechts.) 
Uberaus zweifelhaft ist es unter diesen Umständen, 
welches praktische Ergebnis im Sinne Wilsons die von 
ihm geforderte und die zugestandene Einschränkung des 
UBoot-Kriegs überhaupt haben soll. Geht er auf unser 
Waffenstillstandsangebot ein, so hört der U-Boot-Krieg 
von selbst in wenigen Tagen auf. Das einzige wirklich 
praktische Ergebnis unseres Zugeständnisses könnte also 
nur sein, daß bei einem weiteren Hinziehen und Ver- 
schleppen der Antwort wir unsere Waffen preisgegeben 
hätten. Wir bedauern dieses Zugeständnis tief und lebhaft. 
(Sehr richtig! rechts.) 
So können wir uns auch mit den Ausführungen über 
die innere Politik nicht einverstanden erklären, die in un- 
serer Antwortnote enthalten sind. Wir können uns der Be- 
fürchtung nicht entziehen, daß diese Ausführungen als 
eine Maßnahme aufgefaßt werden könnten, durch die wir 
unsere inneren Verhältnisse gewissermaßen unter die Kontrolle 
und Aufsicht unserer jetzigen Feinde gestellt hätten. Die 
Antwortnote ist einer langen, ausführlichen Beratung 
unterzogen worden. Ich kann nicht zugeben, daß dieses 
Verfahren sich von demjenigen des Präsidenten Wilson 
vorteilhaft unterschieden hat, und daß die lange Dauer 
der Beratung zu einer besonders klaren Festigkeit der 
Antwortnote geführt habe. 
(Sehr richtig! rechts.) 
Es ergibt sich nun die Frage: was ist die Aufgabe 
der Stunde? Eins steht fest: Bis jetzt ist der Präsident 
Wilson auf ein Waffenstillstandsangebot nicht eingegangen. 
Bis jetzt hat er nur eine Antwort erlassen, die weitere 
Verhandlungen nötig macht. Ob wir uns unterwerfen 
wollten oder nicht: wir stehen unter allen Umständen 
vor der Notwendigkeit, den Kampf der Waffen fortzuführen. 
Die neue Antwort des Präsidenten Wilson steht viel- 
leicht unmittelbar bevor. Heute wissen wir noch nicht, 
wie sie ausfallen wird. Der Herr Reichskanzler selbst 
und — wir nehmen wohl mit Recht an — mit ihm die große 
Mehrheit dieses hohen Hauses, rechnet mindestens mit der 
Möglichkeit, daß nach der Antwort des Präsidenten Wilson 
weiter gekämpft werden muß. Meine Freunde und ich sind 
pessimistisch, und wir rechnen mit der Wahrscheinlichkeit, 
daß die neue Antwort zu neuen Kämpfen zwingen wird, 
ob wir wollen oder nicht. Daraus ergibt sich die Auf- 
gabe, die allen anderen vorangestellt werden muß. Ich 
will das eine aussprechen: sobald und solange die Ne- 
gierung diese eine Aufgabe erfüllt, sind wir trotz aller Be- 
denken, die wir gegen die letzte politische Entwicklung und 
gegen die Aktion der Friedensnote gehabt haben, bereit, 
uns in voller Einigkeit der Regierung mit den übrigen 
Parteien des Hauses auf den Boden der Erfüllung dieser 
Aufgabe zu stellen. 
(Bravol rechts.) 
Diese Aufgabe ist die, daß die Kampfkraft unseres 
Heeres und Volkes neu gestärkt wird. 
(Bravo rechts.) 
  
Reichstag. — 193. Sitzung. Dienstag den 22. Oktober 1918. 
Dazu ist nötig, dem Heere einen Ersatz aus der Heimat (O- 
in so hohem Maße zuzuführen, wie es nur irgend möglich 
ist. Wir richten den Wunsch an die Reichsregierung, 
daß sie alle Maßnahmen ergreifen möge, um jede kampf- 
fähige Kraft aus der Heimat, die zur Verfügung steht, 
an die Front zu bringen. 
Meine Freunde und ich haben einen Antrag eingebracht, 
in dem wir den Wunsch aussprechen, die Löhnung der 
Soldaten und die Bezüge der Offiziere zu erhöhen, die 
erstere zum mindesten zu verdoppeln. Es ist notwendig, 
daß endlich das Gefühl der Bitterkeit und Ungerechtigkeit 
in etwas beseitigt werde, das draußen besteht, wenn die 
kämpfenden Männer sehen, wie in der Heimat vielleicht 
ebenso kampffähige Männer ihren persönlichen Vorteil wahr- 
nehmen können. Die Stärkung des Heeres durch Zu- 
führung neuer Menschenkraft und neuer moralischer Kraft 
ist nur möglich, wenn in der Heimat Opferfreude, Opfer- 
mut und Opferwilligkeit wieder geweckt werden, 
(sehr richtig! rechts) 
wenn der Geist der Freiwilligkeit wiedergeweckt wird. 
(Sehr richtig! rechts.) 
Nur so kann der Front draußen in dem ungeheuer 
Schweren, was sie zu bestehen und zu tun hat, neuer 
Rückhalt gegeben werden. Wir haben geglaubt, in den 
Kreisen, die uns nahestehen, die Arbeit zur vollen Auf- 
klärung und zur Aufrufung des Volkes begiunen zu 
sollen. Wir wissen wohl, daß vermöge mancher Verhetzung, 
daß vermöge der bisherigen politischen Entwicklung weite 
Kreise des Volkes auf unsere Stimme nicht bören. 
Aus diesem Grunde, vor allen Dingen aber, weil wir 
glauben, daß keine Zersplitterung der Aufklärungs-= 
arbeit eintreten darf, richten wir die Forderung an 
die Reichsregierung, daß sie das Volk aufruft 
zu neuem Kampf, daß sie es aufklärt über das, worum 
es geht. 
(Sehr richtig! rechts.) 
Wenn das geschieht, werden wir hinter der neuen Regie- 
rung stehen, und wenn das geschieht, so wissen wir in 
vollem Vertrauen zu der Kraft unseres Volkes, daß das 
deutsche Volk keinen Frieden der Kapitulation, keinen 
schmachvollen Frieden, keinen Frieden, der sein Dasein 
und seine Zukunft vernichtet, wird annehmen wollen und 
anzunehmen brauchen. 
(Stürmischer Beifall rechts.) 
Präsident: Meine Herren, von den Herren Abge- 
ordneten Gothein, Herold, Dr. Stresemann, Ebert und 
anderen ist folgende Resolution eingegangen: 
Der Reichstag billigt die Erklärungen des 
Reichskanzlers und spricht ihm sein Vertrauen aus. 
Es liegt ein Antrag auf Vertagung vor. Ich 
hätte Ihnen sowieso vorgeschlagen, jetzt die Verhandlungen 
abzubrechen. — Das Haus ist damit einverstanden. 
Ich schlage Ihnen vor, die nächste Sitzung abzu- 
halten: Mittwoch, den 23. Oktober, nachmittags 2 Uhr, 
mit der Tagesordnung: 
Fortsetzung der soeben abgebrochenen Beratung. 
Das Haus ist damit einverstanden. 
Ich schließe die Sitzung. 
(Schluß der Sitzung 6 Uhr 13 Minuten.) 
  
  
Druck und Werlag der Norddeutschen Buchdruckerei und VPerlagsanstalt, Berlin 8W., Wilhelmstraße 32.
	        
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