Full text: Verhandlungen des Reichstags. 314. Band. (314)

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(Stuychel, Abgeordneter.) 
(A) sönliches, käuflich erworbenes Vermögensstück, nur ihre 
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Arbeitskraft wird ausgenutzt, und wenn diese durch 
Krankheit und Tod unter solchen Verhältnissen verloren 
gent, dann kommt ja kostenfreier Ersatz aus weiteren 
rbeiterreihen! 
Meine Herren, wir brauchen nicht besonders zu be- 
tonen, daß der künftige polnische Staat auf breiter demo- 
kratischer Grundlage nach dem Grundsatze „Jedem das 
Seine“ aufgebaut werden soll und daß er für etwa dort 
innerhalb seiner Grenzen zurückbleibende fremde Bevöl- 
kerungsteile die weitestgehende Toleranz üben wird, wie 
das der historischen Tradition des alten Polens voll- 
kommen entspricht. Die Grundsätze und die Parolen des 
früheren polnischen Reiches sollen jetzt eben durch die 
Grundsätze Wilsons Gemeingut der ganzen Menschheit 
werden. Ich empfehle Ihnen zu lesen ein Buch von Anton 
Choloniewski: „Duch dziejow Polski“ — „der Geist der 
polnischen Geschichte“. Dieses Buch ist in mehreren 
Sprachen, auch in deutscher Sprache erschienen. In der 
Reichstagsbibliothek ist gegenwärtig nur die französische 
Ausgabe vorhanden. Da werden Sie lesen können, daß 
das meiste davon, was jetzt in der Welt als Neuordnung 
erstrebt wird, in Polen bereits verwirklicht war. 
(Heiterkeit.) 
— Bevdor Sie lachen, meine Herren, lesen Sie. Es ist 
mit historischen Tatsachen belegt; es sind also keine 
sebiertiven Behauptungen. möchte aus diesem 
uch einige Sätze zitieren. Das Buch hier ist die 
polnische Ausgabe, ich werde den Passus über- 
setzen. Es handelt sich um die Tagung von Polen und 
Litauern in Horodto im Jahre 1413. Da wurde ein Akt 
über die polnisch-litauische Union aufgestellt, eine frei- 
willige Verbrüderung ohne Blutvergießen von Polen und 
Litauern, in der Geschichte der „Bund der Liebe“ genannt. 
Da heißt es in dem Akt zur Einleitung: 
„Die Liebe allein wirkt nicht eitel, sie löscht den 
Neid aus, beseitigt die Kränkung, sie gibt allen 
Frieden, sie vereinigt, was zersplittert war, sie 
richtet auf, was gefallen war, sie ebnet alle Un- 
gleichheiten, steht jedem bei, beleidigt niemanden, 
und wer sich unter ihre Fittiche flüchtet, wird 
Sicherheit finden und hat keine Drohung zu 
fürchten. Die Liebe schafft Gesetze, regiert die 
Staaten, richtet Städte ein, sie führt zum Guten 
die Stände der Republik. Wer sie aber ver- 
achtet, der wird alles verlieren. Aus diesem 
Grunde wollen wir hier versammelte Prälaten, 
Ritter und Edelleute, indem wir unter dem 
Schutze der Liebe ausruhen wollen und durch- 
drungen von einem frommen Gefühl ihr gegen- 
über durch dieses vorliegende Dokument feststellen, 
daß wir uns vereinigten, unsere Häuser, unsere 
Geschlechter, unsere Familien, unsere Wappen."“ 
Hierzu bemerkt der deutsche Historiker Jakob Caro: 
„Die Union von Horodto bringt eine Völkerverbrüderung 
zustande, wie sie in der ganzen Geschichte Europas nicht 
zu finden ist"“. 
Nun auch noch einige Sätze über Danzig. Für die 
Anziehungskraft der Toleranz im polnischen Staate zeugt 
auch die Geschichte von Danzig, welches sich durch freie 
Willenskundgebung dem polnischen Staate anschloß, über 
3 Jahrhunderte willig im Staate verblieb und den 300. 
Jahrestag freudig feierte, kurz vor der Teilung Polens. 
Ich habe hier vor mir ein Buch, dessen Titel folgender- 
  
maßen lautet: „Jubelrede, welche zum Andenken des für 
nunmehro 300 Jahren erfolgten Abfalls der Provinz 
Preußen von dem deutschen Orden und der Einverleibung 
derselben in den polnischen Staatskörper am Ascher- 
mittwoch des 1754. Jahres im großen Hörsaal des Dan- 
ziger Gymnastt, von Herrn M. Gottlieb Wernsdorff, 
  
  
Reichstag. — 194. Sitzung. Mittwoch den 23. Oktober 1918. 
öffentlichen Lehrer der Beredsamkeit gehalten und hernach (O) 
dem Druck überlassen worden. 
(Zurufe und Heiterkeit.) 
— Meine Herren, es sind ja nur ein paar Worte. Die 
vor Bürgermeister, Würdenträgern und Volk gehaltene 
Rede beginnt folgendermaßen: 
Da sehen Sie nun Ihre Freiheit, Ihre Rechte, 
Ihre Freiheiten, Ihre Mauern, Ihre Häuser, Ihre 
Güter, Alle das Ihrige, Ihren Gottesdienst, Ihre 
Sicherheit, Ihre Ruhe, Ihr und Ihrer Angehöri- 
gen Leben, Ihre Ehegatten, Ihre Kinder, die 
Wohlfahrt des einheimischen Adels, den blühen- 
den Flor der Städte, ja ganz Preußen durch die 
überschwengliche Güte des Allerhöchsten, durch 
den Schutz der Allerdurchlauchtigsten Könige von 
Polen, und durch den unermüdeten Fleiß dero 
Vorfahren, anjetzo unbeschädigt, behauptet und 
wieder hergestellet. Nichts von allen diesen Dingen 
würden Sie in vollkommenem Stande, nichts 
würden Sie ungekränkt besitzen, wofern noch jene 
stolzen Beherrscher über unseren Häuptern schwär- 
meten, deren höchstbeschwerliches Joch unsere Vor- 
fahren solange haben ertragen müssen, und welche, 
burch rauben, schmähen, beschädigen, peinigen und 
morden, diese unsere Provinz auszusaugen, zu 
zerstören und gänzlich zu Grunde zu richten 
eifrigst bemüht waren; sie würden sie auch endlich 
zu Grunde gerichtet haben, wenn nicht Gott unser 
Unglück mit erbarmenden Augen angesehen hätte, 
wenn nicht die vorzügliche Tapferkeit unserer 
Vorfahren dieses so gefährliche Kreuz in Stücke 
geschlagen hätte, wenn nicht, vor nunmehro 300 
Jahren, die Tyrannei der deutschen Ritter gänz- 
lich vertrieben worden und die weit weit gelindere 
Herrschaft der allergnädigsten Könige von Polen 
über uns zu leuchten angefangen hätte. 
Das sind nur zwei Beispiele dafür — eine ganze 
Reihe davon könnte aus der polnischen Geschichte angeführt 
werden —, wie gern und freiwillig fremde Bevölkerungs- 
teile die Vereinigung mit Polen anstrebten und festhielten, 
weil eben die Toleranz und das Gerechtigkeitsgefühl in 
Polen so anerkannt war. Ich brauche nicht zu betonen, 
daß der künftige polnische Staat dieselbe Toleranz im 
Frieden mit fremden Elementen pflegen wird. 
Meine Herren, ich schließe. Wir Polen begrüßen 
das Ende des Krieges, wir begrüßen den kommenden 
Rechtsfrieden. Der Herr Reichskanzler hat den Rechts- 
frieden einem Gewaltfrieden gegenübergestellt und ge- 
meint, aus dem Rechtsfrieden würde ein Gewaltfrieden 
entstehen, wenn neue Gewaltakte verübt würden. Von 
unserer Seite, meine Herren, kann ich nur sagen: der 
Frtede würde kein Rechtsfriede sein, wenn die Gewalt- 
akte der Vergangenheit bestehen bleiben sollten. 
(Sehr richtig! bei den Polen.) 
Meine Herren, wir begrüßen die kommende Ver- 
brüderung der Völker, den Völkerbund, ganz besonders 
aber begrüßen wir die Sonne der Freiheit über die bis 
jetzt unterjochten Völker, die Polen ebenso wie die übrigen 
Brudervölker des fslavischen Stammes, Czechen und Süd- 
slaben, denen wir unsere Hand herzlich entgegenstrecken. 
Für die Männer aber, die im Laufe des Krieges im 
Inland und Ausland unentwegt für Gerechtigkeit und 
unser Recht eintraten, haben wir das innigste Gefühl der 
Dankbarkeit und des Vertrauens. 
(Bravo! bei den Polen.) 
Vizepräsident Dove: Ich teile mit, daß ein Antrag 
eingegangen ist von den Herren Abgeordneten Gothein, 
Dr. Bell, List (Eßlingen), ausreichend unterstützt, über die 
Resolution auf Drucksache Nr. 1974 namentlich abzustimmen. 
(O)
	        
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