6198
(Stuychel, Abgeordneter.)
(A) sönliches, käuflich erworbenes Vermögensstück, nur ihre
(6)
Arbeitskraft wird ausgenutzt, und wenn diese durch
Krankheit und Tod unter solchen Verhältnissen verloren
gent, dann kommt ja kostenfreier Ersatz aus weiteren
rbeiterreihen!
Meine Herren, wir brauchen nicht besonders zu be-
tonen, daß der künftige polnische Staat auf breiter demo-
kratischer Grundlage nach dem Grundsatze „Jedem das
Seine“ aufgebaut werden soll und daß er für etwa dort
innerhalb seiner Grenzen zurückbleibende fremde Bevöl-
kerungsteile die weitestgehende Toleranz üben wird, wie
das der historischen Tradition des alten Polens voll-
kommen entspricht. Die Grundsätze und die Parolen des
früheren polnischen Reiches sollen jetzt eben durch die
Grundsätze Wilsons Gemeingut der ganzen Menschheit
werden. Ich empfehle Ihnen zu lesen ein Buch von Anton
Choloniewski: „Duch dziejow Polski“ — „der Geist der
polnischen Geschichte“. Dieses Buch ist in mehreren
Sprachen, auch in deutscher Sprache erschienen. In der
Reichstagsbibliothek ist gegenwärtig nur die französische
Ausgabe vorhanden. Da werden Sie lesen können, daß
das meiste davon, was jetzt in der Welt als Neuordnung
erstrebt wird, in Polen bereits verwirklicht war.
(Heiterkeit.)
— Bevdor Sie lachen, meine Herren, lesen Sie. Es ist
mit historischen Tatsachen belegt; es sind also keine
sebiertiven Behauptungen. möchte aus diesem
uch einige Sätze zitieren. Das Buch hier ist die
polnische Ausgabe, ich werde den Passus über-
setzen. Es handelt sich um die Tagung von Polen und
Litauern in Horodto im Jahre 1413. Da wurde ein Akt
über die polnisch-litauische Union aufgestellt, eine frei-
willige Verbrüderung ohne Blutvergießen von Polen und
Litauern, in der Geschichte der „Bund der Liebe“ genannt.
Da heißt es in dem Akt zur Einleitung:
„Die Liebe allein wirkt nicht eitel, sie löscht den
Neid aus, beseitigt die Kränkung, sie gibt allen
Frieden, sie vereinigt, was zersplittert war, sie
richtet auf, was gefallen war, sie ebnet alle Un-
gleichheiten, steht jedem bei, beleidigt niemanden,
und wer sich unter ihre Fittiche flüchtet, wird
Sicherheit finden und hat keine Drohung zu
fürchten. Die Liebe schafft Gesetze, regiert die
Staaten, richtet Städte ein, sie führt zum Guten
die Stände der Republik. Wer sie aber ver-
achtet, der wird alles verlieren. Aus diesem
Grunde wollen wir hier versammelte Prälaten,
Ritter und Edelleute, indem wir unter dem
Schutze der Liebe ausruhen wollen und durch-
drungen von einem frommen Gefühl ihr gegen-
über durch dieses vorliegende Dokument feststellen,
daß wir uns vereinigten, unsere Häuser, unsere
Geschlechter, unsere Familien, unsere Wappen."“
Hierzu bemerkt der deutsche Historiker Jakob Caro:
„Die Union von Horodto bringt eine Völkerverbrüderung
zustande, wie sie in der ganzen Geschichte Europas nicht
zu finden ist"“.
Nun auch noch einige Sätze über Danzig. Für die
Anziehungskraft der Toleranz im polnischen Staate zeugt
auch die Geschichte von Danzig, welches sich durch freie
Willenskundgebung dem polnischen Staate anschloß, über
3 Jahrhunderte willig im Staate verblieb und den 300.
Jahrestag freudig feierte, kurz vor der Teilung Polens.
Ich habe hier vor mir ein Buch, dessen Titel folgender-
maßen lautet: „Jubelrede, welche zum Andenken des für
nunmehro 300 Jahren erfolgten Abfalls der Provinz
Preußen von dem deutschen Orden und der Einverleibung
derselben in den polnischen Staatskörper am Ascher-
mittwoch des 1754. Jahres im großen Hörsaal des Dan-
ziger Gymnastt, von Herrn M. Gottlieb Wernsdorff,
Reichstag. — 194. Sitzung. Mittwoch den 23. Oktober 1918.
öffentlichen Lehrer der Beredsamkeit gehalten und hernach (O)
dem Druck überlassen worden.
(Zurufe und Heiterkeit.)
— Meine Herren, es sind ja nur ein paar Worte. Die
vor Bürgermeister, Würdenträgern und Volk gehaltene
Rede beginnt folgendermaßen:
Da sehen Sie nun Ihre Freiheit, Ihre Rechte,
Ihre Freiheiten, Ihre Mauern, Ihre Häuser, Ihre
Güter, Alle das Ihrige, Ihren Gottesdienst, Ihre
Sicherheit, Ihre Ruhe, Ihr und Ihrer Angehöri-
gen Leben, Ihre Ehegatten, Ihre Kinder, die
Wohlfahrt des einheimischen Adels, den blühen-
den Flor der Städte, ja ganz Preußen durch die
überschwengliche Güte des Allerhöchsten, durch
den Schutz der Allerdurchlauchtigsten Könige von
Polen, und durch den unermüdeten Fleiß dero
Vorfahren, anjetzo unbeschädigt, behauptet und
wieder hergestellet. Nichts von allen diesen Dingen
würden Sie in vollkommenem Stande, nichts
würden Sie ungekränkt besitzen, wofern noch jene
stolzen Beherrscher über unseren Häuptern schwär-
meten, deren höchstbeschwerliches Joch unsere Vor-
fahren solange haben ertragen müssen, und welche,
burch rauben, schmähen, beschädigen, peinigen und
morden, diese unsere Provinz auszusaugen, zu
zerstören und gänzlich zu Grunde zu richten
eifrigst bemüht waren; sie würden sie auch endlich
zu Grunde gerichtet haben, wenn nicht Gott unser
Unglück mit erbarmenden Augen angesehen hätte,
wenn nicht die vorzügliche Tapferkeit unserer
Vorfahren dieses so gefährliche Kreuz in Stücke
geschlagen hätte, wenn nicht, vor nunmehro 300
Jahren, die Tyrannei der deutschen Ritter gänz-
lich vertrieben worden und die weit weit gelindere
Herrschaft der allergnädigsten Könige von Polen
über uns zu leuchten angefangen hätte.
Das sind nur zwei Beispiele dafür — eine ganze
Reihe davon könnte aus der polnischen Geschichte angeführt
werden —, wie gern und freiwillig fremde Bevölkerungs-
teile die Vereinigung mit Polen anstrebten und festhielten,
weil eben die Toleranz und das Gerechtigkeitsgefühl in
Polen so anerkannt war. Ich brauche nicht zu betonen,
daß der künftige polnische Staat dieselbe Toleranz im
Frieden mit fremden Elementen pflegen wird.
Meine Herren, ich schließe. Wir Polen begrüßen
das Ende des Krieges, wir begrüßen den kommenden
Rechtsfrieden. Der Herr Reichskanzler hat den Rechts-
frieden einem Gewaltfrieden gegenübergestellt und ge-
meint, aus dem Rechtsfrieden würde ein Gewaltfrieden
entstehen, wenn neue Gewaltakte verübt würden. Von
unserer Seite, meine Herren, kann ich nur sagen: der
Frtede würde kein Rechtsfriede sein, wenn die Gewalt-
akte der Vergangenheit bestehen bleiben sollten.
(Sehr richtig! bei den Polen.)
Meine Herren, wir begrüßen die kommende Ver-
brüderung der Völker, den Völkerbund, ganz besonders
aber begrüßen wir die Sonne der Freiheit über die bis
jetzt unterjochten Völker, die Polen ebenso wie die übrigen
Brudervölker des fslavischen Stammes, Czechen und Süd-
slaben, denen wir unsere Hand herzlich entgegenstrecken.
Für die Männer aber, die im Laufe des Krieges im
Inland und Ausland unentwegt für Gerechtigkeit und
unser Recht eintraten, haben wir das innigste Gefühl der
Dankbarkeit und des Vertrauens.
(Bravo! bei den Polen.)
Vizepräsident Dove: Ich teile mit, daß ein Antrag
eingegangen ist von den Herren Abgeordneten Gothein,
Dr. Bell, List (Eßlingen), ausreichend unterstützt, über die
Resolution auf Drucksache Nr. 1974 namentlich abzustimmen.
(O)