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hatten im weiten Umkreise von Moskau alle Einwohner
ihre Wohnungen verlassen, um den Anblick eines Fein-
des zu meiden, welcher, umgeben von allen Schrecknissen
der Verwüstung und der Verwesung und Hungersnoth,
in Moskau's Mauern herrschte. Napoleon, fortwäh-
rend auf sein Glück trotzend, ließ sich durch falsche Be-
richte täuschen, nach welchen Kutusow's Heer, als
Folge der erhaltenen Niederlagen, bis zur Unbedentend-
heit herabgeschmolzen sep. Und da er die Stimmung
des russischen Volkes gänzlich mißkannte, so erwartete
er im Kremlin noch immer Alexanders Abgesandte,
seine Gnade zu erflehen. Als er aber diese Hoffnungen
unerfüllt bleiben, den Winter des Nordens heranrücken
sah, und erfuhr, seines Feindes Kraft und Muth wären
noch nicht gebrochen, entsagte er augenblicklich allem
Stolz und entsandte den General Lauriston ins feind-
liche Lager mit Friedensvorschlägen. Kutusow erklärte,
ihm fehle es an Vollmacht zu unterhandeln und wolle
die Entscheidung seines Kaisers einholen. Aber wohl
schon zu jener Zeit war es dem russischen Oberfeldherrn
klar, nicht auf Rußlands Boden dürfe dem Feinde der
Friede bewilliget werden. Er setzte seine Vorbereitungen
fort, welche den Untergang der Franzosen herbeiführen
konnten. Schon zogen ihm von allen Puncten des Reichs
Schaaren tapferer Krieger zu, denen Vorräthe aller Art
aus den Statthalterschaften Kaluga, Tula und Orel folg-
ten. Die außerordentlichen Anstrengungen des russischen
Volks, die sich erneuernden Beispiele der Vaterlandöliebe,
gaben dem Feldmarschall Kutusow Berunhigung um jede
Zukunft. Vor der Hand aber mußte der Feind noch mit
trüglichen Hoffnungen hingehalten werden. Lauriston
wurde mit unbestimmter Antwort ins franzbsische Haupt-