87. Die Unterthanen. 39
Die gegen seitige Beschränkung der Gebietshoheit zwischen
den einzelnen zum deutschen Reiche gehörigen Staaten, wie sie aus dem
Wesen der bundesstaatlichen Verbindung folgt und auf Grund der Reichsgesetzgebung
in einzelnen Rechtsfolgen bestimmt sich geltend macht, wie in der Wirksamkeit der in dem
einzelnen Staate geübten Gerichtsbarkeit auf das ganze Reichsgebiet, in der gesetzlichen
Ermächtigung der Sicherheitsbeamten eines Bundesstaates zur Verfolgung eines Flüchtigen
auf das Gebiet eines anderen Bundesstaates und zur Ergreifung auf demselben (R. G.
V. G. § 168, Gesetz betr. die Gewährung der Rechtshilfe vom 21. Juni 1869 § 30
kommt auch für und gegen Bayern zur Anwendung 7.
II. Kapitel.
Die Unterthanen.
§. 7. Die Staatsangehörigen und die sog. Nichtbayern. Das Staatsbürgerrecht
im engeren Sinne. I. Allgemeine Uebersicht. Die allgemeinen Bestimmungen des
bayerischen Staatsrechtes über den Erwerb und den Verlust der Staatsangehörigkeit
(des Indigenates) und des Staatsbürgerrechtes, und über die Verhälktnisse der
Staatsangehörigen und der Staatsbürger wie der im Staatsgebiete sich aufhaltenden
oder als Grundbesitzer innerhalb desselben begüterten Fremden sind wesentlich enthalten
im vierten Titel der Verfassungs-Urkunde: Von allgemeinen Rechten und Pflichten, und in
den drei ersten Beilagen zur Verfassungsurkunde :). In diesen Bestimmungen wird ein
scharfer Unterschied gemacht zwischen den „Bayern“ und den „Fremden“, den bayerischen
Staatsangehörigen und den durch Aufenthalt im Staatsgebiete oder durch Grundbesitz
innerhalb desselben in bestimmten Beziehungen der bayerischen Staatsgewalt unterworfenen
Angehörigen fremder Staaten; ebenso wird vom Indigenat bestimmt unterschieden das
Staatsbürgerrecht, von der einfachen Slaatsangehörigkeit der an
gewisse weitere gesetzliche Boraussetzungen geknüpfte „politische Stand eines
Staatsbürgers (I. Verf.-Beil. § 9).
Diese verfassungsmäßigen Bestimmungen sind aber, theils durch die bayerische, theils
durch die Reichsgesetzgebung sehr wesentlich in ihrem Bestande alterirt worden. Nachdem seit
dem Jahre 1848 die Ausübung der politischen Rechte durch einzelne Gesetze mehr und mehr
1) BDgl. auch das R. G. V. G. § 167 und zum hganzen im *Ei. Fehalzenen l- bie Aus;
führungen Oi Laband, r des Deutschen Reiches 7 ff., 7 ff.,
und in diesem Hdb. 1I. 7 ff., 180 ff. Dazu Po F. Ssiapolete ur ꝛr d inl 5
Ueber Staatsverträge wischen eel 2 anderen deutschen Bundesstaaten, in denen eine bestimmte
Wirksamkeit der Justiz= und Polizeiorgane auf fremdem Staatsgebiete gegenseitig ringeräunt worden
ist, vgl. Krais, Hdb. der inneren Verwaltung im diesrhein. Bayern, 2. Aufl. 1 121 ff.
2) Tüite brei Verfassungsbeilagen sind als Anhänge einzelner gunnebrahene Ses rit. IV.
der Verfassungs-Urkunde bezeichnet: Die erste, das Edikt über das Indigenat, zu Tit. IV. 8 1, die
zweite, das Religionsedikt, (von welchem namentlich der erste Abschnitt hier in Betracht lommt),
zu Tit. IV. 8§ 9, die dritte, das Edikt über die Freiheit der Presse und des Wchhandels (in seinem
Inhalte wesentlich verändert durch das Gesetz vom 4. TInm 1848,. G B. 9 ff.) zu
§ 11. Hierher gehören ferner die Bestimmungen Tit. III. 8 4 Abs. 2 2, Ti is § 1 und Tit X
SJderVerfaisiingsllrlniide Die wesenulice Grundlage der im Texte und hier erwähnten Ver-
faffungsbestimmungen bilden Tit, I. 8§ 3, 7, 8 der Httttion, von 1808, sodann die schon früher
(S. 14, 15) erwähnten Edikte vom 31. August 1808 (über die Aufhebung. der beibeigenschaft
und 24. Märg 1809 (Religionsedikt), sodann das Edikt vom 6. Januar 1812 (RN. B. S. 209 ff.)
über das Indigenat, das Staatsbürgerrecht, die Rechte der Forensen und der Fremden in Suse rn,
aus dem, allerdings nicht ohne wesentliche Veränderungen, die erste Verfassungsbeilage hervor-
gegangen ist.