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lage, insbesondere in der Ukraine, dochnichterscheinen können; die Kampf-
fähigkeit dieser Truppen ist den Anforderungen des Westens nicht gewachsen, ihr innerer
moralischer Wert durch die östlichen Einflüsse erschüttert. Es liegt die Gefahr der
Infizierung der noch braven Truppen des Westheeres vor. Vor dem Einsatz dieser Ost-
truppen im Westen müßten sie eine längere stramme Ausbildungszeit erhalten.
Die politische Kriegsleitung hat zu.entscheiden, ob aus politischen und wirt
schaftlichen Gründen das Verbleiben der Truppen im Osten wertvoller isi.
Ich komme auf die einzelnen Kriegsschauplätze.
An der Reichsgrenze gegen das bisherige östereichisch-ungarische Gebiet sind
Grenzschutzmaßnahmen getroffen. Nachdem die Reichsregierung die Erlaubnis zum Be
treten Tiroler Bodens gegeben hat, wird der Schutz Bayerns an den taktisch günstigsten
Stellen im Gebirge erfolgen können. Außer den bayerischen Ersatztruppen sind zunächst
für Tirol zwei Divisionen verfügbar. Das Alpenkorps soll aus Ungarn herangeführt
werden. An der sächsischen und schlesischen Grenze sind Grenzschutz-Detachements in der
Bildung begriffen. Das Generalkommando VI. A. K. ist nach Görlitz herangeführt.
Wenn auch ein Vorgeben deutscher Truppen auf böhmischen Boden aus rein
militärischen Gründen zur Zeit nicht geboten ist, so würde doch die Besetzung gewisser
Punkte des deutschen Randgebietes zum Schutze der Bewohner gegen Mord und Plünde
rung in Frage kommen und durch die Reichsregierung baldigst zu entscheiden sein. In
militärischer Beziehung käme zur Jeit lediglich die Besetzung von Bahnknotenpunkten
jenseits der Grenze in Frage.
Die aus Rumänien und Südungarn zurückkommenden Truppen sind zunächst für
eine Verwendung auf dem neuen südlichen Kriegsschauplatz vorgesehen. Sollten die
Truppen aus der Ukraine zurückgezogen werden) so würden auch diese zum Teil für den
Schutz der Südgrenze zur Verfügung stehen.
Ein Vorgehen des Feindes über Odessa durch die Ukraine und Polen gegen die
deutsche Ostgrenze ist für eine geraume Zeit weniger wahrscheinlich.
Westf ront. Die Außerungen hierüber sind das Ergebnis einer Aussprache mit
den Armee-Oberkommandos. Seit Monaten sleht die Westfront in schwerem Kampf.
Während der Engländer zwischen Cambrai und Si. Quentin immer wieder den Durch'-
bruch versuchte, liefen Franzosen und Amerikaner gegen unsere Stellungen zwischen
Suippes und Maas an. An verschiedenen Stellen kam es zu tiefen Einbrüchen. Da
der Mangel an Reserven ein erfolgreiches Halten nicht möglich erscheinen ließ, wurde es
nötig, unsere Front in kürzere, zur Abwehr geeignetere Linien zurückzjunehmen. Es wurde
daher die Heeresgruppe Kronprinz Nupprecht allmählich in die allgemeine Linie Gent-
Tournai—-Valenciennes—Landrecies und im Anschluß daran die Heeresgruppe Deutscher
Kronprinz hinter die Abschnitte der Oise-Serre—Aisne und Aire zurückgenommen. Der
Feind drängte stets bald nach und erneuerte seine Angriffe. Während der Engländer seine
Hauptkräfte auch weiterhin zum Durchbruch in Richtung Manbeuge ansetzte und unter-
stützt von Franzosen und von Amerikanern seine Angriffe in Flandern wiederholte) richtete
sich der Hauptstoß der Franzosen und Amerikaner gegen die Front zwischen Oise und
Serre, gegen die Front beiderseits der Aisne westlich Rethel und gegen die Front zwischen
Vouziers und der Maas.
Die Schwierigkeit, die augenblicklichen Stellungen dauernd zu halten, liegt in
erster Linie in dem Mangel an Reserven und Ersatz. Ende Oktober verfügte die Entente
an der Westfront über 96 Divisionen in Reserve gegenüber 58 deutschen Divisionen.
Dieses JLahlen verhältnis hat sich durch die notwendig gewordene Entsendung
von Truppen an die deutsche österreichische Grenze und infolge der Jurücknabme der