Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band V. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (5)

88 Die Organisation. Die Landstände. 8 26 
renden Abgeordneten an ein und demselben Tage erfolgen 1). 
§ 26. Die Geschäftsformen der Landstände. Ein Teil der hier in Betracht kom- 
menden Vorschriften ist, wie früher erwähnt, unmittelbar durch die Verfassung gege- 
ben, der Hauptsache nach ist deren Festsetzung aber der autonomen Regelung der 
Kammern überlassen. Ein besonderes Geschäftsganggesetz für die Landstände gilt 
in Baden nicht. 
Die Vorschriften der Verfassungs-Urkunde bestehen im wesentlichen in Folgendem: 
1. Verhältnis der Regierung zu den Ständen. 
Die Mitglieder des Staatsministeriums und die Regierungskommissäre haben 
jederzeit bei öffentlicher und geheimer Sitzung der Kammern Zutritt und müssen 
bei allen Diskussionen gehört werden, wenn sie es verlangen. 
Wenn eine Vorberatung in einem besonderen Ausschusse stattfindet, so treten zur 
vorläufigen Erörterung der Entwürfe die landesherrlichen Kommissäre mit den stän- 
dischen Ausschüssen zusammen, so oft es von einer oder der anderen Seite für not- 
wendig erachtet wird. Keine wesentliche Abänderung in einem Gesetzesentwurf kann 
getroffen werden, die nicht mit den landesherrlichen Kommissarien in einem solchen 
gemeinschaftlichen Zusammentritt erörtert worden ist 2). 
2. Verhandlungen innerhalb der einzelnen Kammern selber: 
a) Die Annahme eines Entwurfes, sowie die Ablehnung eines landesherrlichen 
Vorschlages können in jeder Kammer sowohl nach Vorberatung in einem besonderen 
Ausschusse, als auch ohne solche erfolgen, letzteres aber nur auf Grund einer zwei- 
maligen, durch eine Zwischenzeit von mindestens drei Tagen getrennten Beratung 
und Abstimmung. 
b) Zur Gültigkeit der Beschlußfassung einer Kammer ist, wo nicht ausdrückliche 
Ausnahmen festgesetzt sind, die Zustimmung der absoluten Mehrheit der in gesetzlicher 
Zahl anwesenden Mitglieder erforderlich. Bei gleicher Stimmenzahl gibt die Stimme 
des Präsidenten die Entscheidung 3). 
Eine höhere Stimmenzahl (zwei Drittel Majorität in jeder Kammer) wird für 
die Annahme von Gesetzen verlangt, welche die Verfassung ergänzen, erläutern oder 
abändern. Die gleiche Mehrheit wird, wie oben erwähnt, für die Beschlüsse der 
zweiten Kammer erfordert, die eine Verfassungsbeschwerde geltend machen oder eine 
Ministeranklage zum Gegenstand haben"). Für die Wahl des ständischen Ausschusses 
genügt die relative Stimmenmehrheit. Bezüglich der übrigen von der Kammer 
vorzunehmenden Wahlen ist die Stimmenzahl und das Verfahren der näheren Re- 
gelung durch die Geschäftsordnungen überlassen 5). 
Die zur Beschlußfassung gesetzlich notwendige Zahl beträgt in der ersten Kammer 
mindestens 15, in der zweiten Kammer mindestens 37 Mitglieder einschließlich 
der Präsidenten. Bei der Abstimmung über die sogen. Verfassungsgesetze 
1) Verf. Urk. & 79 Abs. 2—4. 
2) Verf. Urk. § 76. Ueber das Verhältnis der Kammern zueinander, insbes. über das nunmehr 
zugelassene Recht des Zusammentretens ihrer Kommissionen vgl. oben unter 3 19. 
3) Verf. Urk. § 71. Des Präsidenten Stimme zählt dann doppelt. Vgll. Glockner a. a. O. 
. 168. Anm. 4; übereinstimmend Roth--Thorbecke (unter bes. Berufung auf &72 Verf. Urk.) a. a. O. 
4) Verf. Urk. & 64, 5 67 Abs. 3; § 67 a, 867c. 
5) Verf. Urk. § 51, §& 71 Abs. 3.
	        
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