Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band V. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (5)

8 26 Die Geschäftsformen der Landstände. 89 
  
und bei der Fassung der denselben hinsichtlich des Majoritätserfordernisses gleich- 
gestellten Kammerbeschlüsse ist in jeder Kammer die Anwesenheit von mindestens 
drei Viertel der Mitglieder notwendig. Bei der Berechnung dieser drei Viertel 
werden in der ersten Kammer die im #27 Ziff. 1—3 genannten Mitglieder, wenn sie 
in der betreffenden Sitzungsperiode am Landtage weder in Person noch durch Stell- 
vertreter teilnehmen, nicht gezählt 1). 
(c) Nur den landesherrlichen Kommissären und den Mitgliedern der ständischen 
Kommissionen ist es gestattet, geschriebene Reden abzulesen; alle übrigen Mitglieder 
haben ihre Ausführungen in freier Rede vorzutragen 2). 
d) Die Sitzungen beider Kammern sind öffentlich; dieselben sind jedoch 
dann geheim abzuhalten, wenn dies von den Regierungskommissären beantragt wird, 
um den Kammern Mitteilungen zu machen, deren vertrauliche Behandlung geboten 
ist, oder wenn die geheime Verhandlung von drei Mitgliedern einer Kammer in 
öffentlicher Sitzung beantragt wird, und diesem Antrag nach Räumung der Tribünen 
mindestens ein Viertel der Mitglieder beigetreten ist 3). 
Zur wirksamen Geltendmachung der Oeffentlichkeit der Verhandlungen hatte 
die Verfassungsnovelle des Jahres 1867 schon vor dem Inkrafttreten der Vorschriften 
des RöStr#B. die Anordnung getroffen, daß wahrheitsgetreue Berichte über Ver- 
handlungen in den öffentlichen Sitzungen der beiden Kammern von jeder Verant- 
wortlichkeit frei bleiben ). 
Die Mehrzahl der bisher angeführten Verfassungsbestimmungen hat in den von den 
beiden Kammern aufgestellten, früher bereits besprochenen, Geschäftsordnungen Auf- 
nahme gefunden. In dieselben wurden auch die für die Geschäftsbehandlung den Land- 
ständen seitens der Regierung gemachten Einräumungen mitübernommen, so daß die 
unter der Bezeichnung der Geschäftsordnung für jede Kammer zusammengestellten und 
durch den Druck festgelegten Vorschriften im wesentlichen alles das enthalten, wos 
den Verkehr innerhalb einer Kammer, zwischen den beiden Kammern und zwischen 
der Kammer und der Regierung zu regeln geeignet ist 5). 
Aus dem Inhalt dieser Geschäftsordnungen were, abgesehen von 
den oben angeführten verfassungsgesetzlichen Bestimmungen, folgendes hervorzu- 
heben: 
1. Die Leitung der Bureaugeschäfte der Kammern geschieht in der zweiten Kam- 
mer bis zur Erwählung des Präsidenten durch das an Jahren älteste Kammermitglied. 
Der Dienst der Sekretäre wird einstweilen in der ersten Kammer von den zwei jüngsten, 
in der zweiten Kammer von den vier jüngsten der gewählten Mitglieder besorgt ?). 
1) Verf. Urk. § 73. 
2) Berf. Urk. 5 77. 
3) Verf. Urk. § 78. 
4) Vgl. nunmehr RSt#B. 5 12. Ueber die geheimen Sitzungen werden nach den Gesch.= 
Ordnungen besondere Protokolle geführt. Dieselben können in den Fällen, in denen die Regierung 
die geheime Sitzung verlangt hat, nur mit Zustimmung der Regierung veröffentlicht werden. Gesch- 
O. I. K. § 69, II. K. § 79. Auch diese Sitzungen fallen unter die Vorschrift des § 12 RStr G., 
nicht aber die Sitzungen der Kommissionen. Glockner a. a. O. S. 118. 
5) So wurde der Begriff der Gesch. Ordnung auch auf dem Landtag 1899/00 von der Gesch.= 
Ordgs. Kommission bestimmt. Vgll. Glockner a. a. O. S. 372. 
6) I. K. § 1; II. K. & 1.
	        
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