Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band V. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (5)

100 Die Organisation. Die Behörden. § 30 
  
  
Kollegium zu betätigen hat ½), allein in der Hand des Vorstandes. Dessen Ansicht ist 
die ausschlaggebende, auch wenn die Mehrheit der Räte anderer Meinung sein sollte. 
Die „verantwortlichen Chefs der Ministerien“ sind daher auch durch die Ldh. VO. vom 
20. Februar 1863 2) für befugt erklärt worden, soweit nicht die erwähnten Vorschriften 
über kollegialische Behandlung einzelner Gegenstände eingreifen, „zur Erreichung 
einer möglichst einheitlichen und wirksamen Erledigung der ihnen übertragenen Ob- 
liegenheiten den Geschäftsgang in ihren Ministerien und mit den ihnen untergeord- 
neten Behörden selbständig zu regeln“. Sie können sich insbesondere auch von den 
Direktoren der Zentralmittelstellen direkt Vortrag erstatten lassen, oder dieselben zu 
den Sitzungen des Ministeriums heranziehen; weiter ist es ihnen gestattet, aus den 
Mitgliedern ihrer Ministerien zur Besorgung bestimmter Geschäftszweige beson- 
dere Abteilungen zu bilden 3). 
Eine besondere Einrichtung besteht auf Grund des Verwalt. Ges. v. 5. Oktober 
1863 für das Ministerium des Innern. Dasselbe kann einzelnen seiner Mitglieder die 
unmittelbare Aufsichtsführung über ein räumlich abgegrenztes Gebiet der inneren 
Verwaltung übertragen und ihnen zu dem Zweck auch einen außerhalb des Sitzes des 
Ministeriums gelegenen Amtssitz anweisen. Diese Mitglieder, welche die Bezeichnung 
„Landeskommissäre“ führen, behalten, auch wenn sie auswärts wohnen, „Sitz und 
Stimme“ im Ministerium. Ihre äußere Diensttätigkeit erstreckt sich vor allem auf die 
Führung der unmittelbaren Aufsicht über die Amts= und Kreisverwaltung und über 
deren Beamte 4). 
§s 30. Das Staatsministerium. Dasselbe besteht im wesentlichen auf der durch 
die Ldh. VO. v. 15. Juli 1817 geschaffenen Grundlage als eine ständige durch die Ver- 
fassung anerkannte Einrichtung, als oberste Staatsbehörde, zu dem Zwecke, 
den Landesherrn bei der Fassung seiner Entschließungen zu unterstützen und eine ein- 
heitliche Führung der Zentralverwaltung zu gewährleisten. 
Gebildet wird das Staatsministerium aus ordentlichen oder sogenannten „stimm- 
führenden“ und aus außerordentlichen Mitgliedern, die nur in einzelnen Fällen zuge- 
zogen werden. Zu den ordentlichen Mitgliedern gehören kraft Gesetzes nur die Vor- 
stände der Einzelministerien. Eines derselben führt den Titel Staatsminister. Die 
fakultativen stimmführenden Mitglieder können zugleich ein der Ministerialinstanz 
untergeordnetes Amt versehen5). Den Vorsitz im Staatsministerium führt der Landes- 
herr, bei seiner Verhinderung der Staatsminister, der die oberste Staatsbehörde auch 
für die Vorbereitung der zu fassenden Beschlüsse und in sonstigen Einzelfällen vertritt. 
Die Kanzleigeschäfte werden von Beamten eines der Ressortministerien im Ne- 
benamte besorgt. 
1) Es sind dies die Fälle, in denen das Minist. als Disziplinarbehörde über gewisse Klassen von 
Beamten fungiert. § 109 Beamt. Ges. (vgl. aus früherer Zeit das Ges. v. 26. Mai 1876 Art. 3). 
2) Reg. Bl. S. 57. 
3) Die angef. V O. spricht zwar ausdrücklich nur von den Ministerien des Innern, des Handels 
und der Finanzen. Sie findet aber selbstverständlich auch auf die Ministerien Anwendung, welche 
heute die damals berührten Verwaltungsgeschäfte besorgen, also auf sämtliche vier Ministerien. 
4) Verw. Ges. § 22. Näheres über die Zuständigkeit der Landeskommissäre siehe unten im Texte 
#m# 38. Zur zeit sind vier Landeskommissäre in Tätigkeit mit Wohnsitz in Karlsruhe, Mannheim, 
Freiburg und Konstanz. 
5) So ist z. B. seit dem Jahre 1901 der Vorstand der Forst= und Domänendirektion stimmfüh- 
rendes Mitglied des St. Ministeriums.
	        
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