□
40 Die Verwaltungsgerichte. 131
gegen Verfügungen der Staatsaufsichtsbehörden, durch welche Gemeinden,
Gemarkungsinhabern, Bezirken, Kreisen, Kirchen= und Schulverbänden eine ihnen
nicht obliegende Leistung auferlegt oder Beschlüsse dieser Körperschaften oder ihrer
Behörden als gesetzwidrig aufgehoben werden;
außerdem gewährt es denselben den Gemeindebeamten der Städteordnungs-
städte, sowie den Aerzten und Apothekern gegen ungerechtfertigte Entlassung oder
Zurücknahme der Approbation; endlich eröffnet es den Verwaltungsrechtsweg gegen
verschiedene Entschließungen der Bezirksräte, die bei der Handhabung der staatlichen
Aufsicht über das Hilfskassen-, Krankenkassen-, das Innungs= und das Lehrlings-
wesen ergehen 1).
In all diesen Fällen hat der Verwaltungsgerichtshof nur zu prüfen, ob die Be-
hörde zu der vom Kläger angefochtenen Verfügung „berechtigt“ war 2). Er hat die
Aufsicht darüber zu führen, daß die Behörde bei ihrem Vorgehen sich innerhalb der
Vollmacht bewegt, die ihr durch das objektive Recht gegeben ist. Dabei beschränkt
sich seine Tätigkeit aber nicht nur auf die Nachprüfung der für das Verfahren der
betreffenden Behörde vorgeschriebenen notwendigen Formen und auf die Kontrolle
darüber, ob aus dem von der Behörde festgestellten Tatbestande die richtigen Rechts-
folgen abgeleitet wurden. Er hat vielmehr auch, im Gegensatz zu den Revisions-
gerichten, die Feststellung des Tatbestandes selber seiner Würdigung zu unterwerfen,
und er muß die ergangene Verfügung als cechtswidrig aufheben, wenn er findet,
daß die Tatsachen, deren Vorhandensein das Gesetz zur Bedingung des behördlichen
Einschreitens macht, in Wirklichkeit gar nicht vorhanden waren 3). Daß die richterliche
Nachprüfung des Verwaltungsgerichtshofes in denjenigen Fällen, in denen das ob-
jektive Recht der Behörde die Befugnis gibt, nach freiem Ermessen zu entscheiden,
nicht soweit gehen kann, auch die richtige Anwendung dieser Befugnis zu kontrollieren,
versteht sich von selbst 4). Denn soweit jene Vollmacht der Behörde reicht, entfällt
für den Einzelnen das subjektive Recht; daher kann auch insoweit für ihn von einer
Rechtsverletzung keine Rede sein. Als Schutzmittel bleibt hier allein die Verwaltungs-
beschwerde (der Rekurs nach § 28 Verf.Ordn.).
X) Eine ganz eigenartige Stellung nimmt der Verwaltungsgerichtshof in den-
jenigen Fällen ein, in denen er zur Abgabe einer Vorentscheidung berufen ist. Hier
hat er nur darüber zu erkennen, ob der mit der Verfolgung bedrohte Beamte sich einer
———
kann die Klage erst erhoben werden, wenn dies Rechtsmittel gebraucht ist (Zeitschr. 1903 S. 61).
Gegen polizeiliche Verfügungen der Bürgermeister findet eine Klage nicht statt, ebensowenig gegen
solche Berfügungen des Ministeriums.
1) & 4 Abs. 1 Ziff. 1—6 des Ges. Die damit statuierte Befugnis zur richterlichen Nachprü-
fung zahlreicher, in den individuellen Freiheitskreis eingreifender Verwaltungsverfügungen, die
in der Folge auch noch für einige andere Spezialgebiete Anerkennung fand, hat jedoch
wiederum für einzelne Fälle eine zum Teil recht weitgehende Einschränkung erfahren. Vgl. z. B.
#*4 Abs. 5 des Ges. u. § 110 Abs. 6 des Wasser-Ges.
2) Vgl. § 4 Abs. 2.
3) Das Gesetz hebt dies auch ausdrücklich hervor, indem es in § 4 Abs. 2 neben der Verletzung
des Gesetzes (Ziff. 1) als weiteren Klagegrund das Fehlen der zur Verfügung berechtigenden tat-
sächlichen Voraussetzungen (Ziff. 2) anführt. (Die gewählte Fassung weicht von ihrem preuß. Vor-
bilde § 127 LV G. etwas ab.)
4) Bei der Beratung des Ges. hielt man es für wünschenswert, dies trotzdem im Gesetze selbst
ausdrücklich auszusprechen. 4
9