170 Die Organisation. Die Selbstverwaltungskörper. § 51
bereits erwähnt, zugunsten gewisser bevorrechteter Familien statt, sondern vor allem
auch im Interesse der innerhalb des Landesgebietes vorhandenen, als bedeutungsvoll
anerkannten, öffentlichen Verbände und Anstalten.
Demgemäß befassen sich die grundlegenden Konstitutionsedikte von 1806 und
aus den folgenden Jahren nicht nur mit der Regelung der rechtlichen Stellung der
Standes= und Grundherren, sondern sie geben auch ins Einzelne gehende Vorschriften
über die Eingliederung der großen Verbände der Kirchen und der Gemeinden in den
staatlichen Gesamtorganismus, indem sie zugleich der Neubildung von anderen Kor-
porationen und Anstalten, die dann wie jene als selbständige Mitarbeiter der Staats-
verwaltung ausgenommen werden sollten, die Wege bahnten.
Die patrimonialen Gewalten der Standes= und Grundherren sind inzwischen
bis auf ganz unbedeutende Reste verschwunden. An dem Gedanken, daß sich die Er-
füllung der dem Staate obliegenden Aufgaben nur durch eine Verteilung der Ver-
waltung zwischen den staatlichen Organen und den neben diesen selbständig tätigen
Selbstverwaltungskörpern in wirklich zweckentsprechender Weise erreichen lassen, wurde
jedoch, abgesehen von einem kurzen durch das Napoleonische Vorbild beeinflußten
Rückschlag, nicht nur festgehalten, dieser Gedanke hat vielmehr eine immer größere
Stärkung und Ausbreitung erfahren. So wurden mit Beginn des vierten Jahrzehnts
des verflossenen Jahrhunderts den Gemeinden eine freiheitliche Verfassung gewährt,
die später dem Fortschritt der Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse entspre-
chend weitergebildet wurde. Die rechtliche Freiheit der großen Kirchen als Korpora-
tionen des öffentlichen Rechtes wurde mit den nötigen Garantien umgeben. Eine
Reihe neuer selbständiger Korporationen und Anstalten des öffentlichen Rechtes
wurden im Wege der Gesetzgebung unmittelbar ins Leben gerufen, und die in den
Konstitutions-Edikten nur bis zu einzelnen Ansätzen gediehene allgemeine Regelung
der Rechtsverhältnisse der nicht besonders behandelten Körperschaften und Anstalten
fand eine gründliche Durcharbeitung und Ergänzung. Auch in der neusten Zeit, in
welcher durch das Vorgehen Preußens und des Reiches für die Dezentralisierung der
Staatstätigkeit auf dem Wege der Selbstverwaltung die Annahme einer anderen,
besonders im englischen Rechte zu großer Bedeutung gelangten Form nahegclegt
worden, hat man von der bisherigen Uebung, dem erstrebten Ziel durch Schaffung von
eigenberechtigten Selbstverwaltungskörpern nachzugehen, nicht abgelassen und hat
demgemäß auch die neu eingerichteten Zwangsverbände zur Erfüllung militärischer
oder sanitärer Aufgaben mit körperschaftlichen Rechten ausgestattet. Eine den eng-
lischen sogen. passiven Verbänden analoge Form, bei der zwar ein Verband mit eige-
nem Willensträger vorhanden, wo aber der Wille sich nicht als Ausfluß eines eigenen
Rechtes, sondern nur zur Erfüllung objektiver Rechtsvorschriften zu betätigen vermag,
ist in Baden nicht zur Anwendung gelangt. Selbst in dem einzigen, hier etwa in
Betracht kommenden Falle, bei der Regelung der Rechtsverhältnisse der von einer
Mehrzahl von Grundbesitzern bewohnten sogen. abgesonderten Gemarkungen, ist die
neuere Gesetzgebung dazu übergegangen, eine Korporationsbildung eintreten zu
lassen 1).
1) Die im Element. UG. vorgesehenen Schulverbände, die keine eigene juristische Persönlich-