8 53 Die rechtliche Natur und die Grundlagen der Gemeinden. 179
Recht zur Anteilnahme am Bürgernutzen entspricht auf der anderen Seite die Ver-
pflichtung zur Entrichtung der unter gewissen Voraussetzungen auf den Bürgernutzen
zu legenden Auflagen 1).
Der einfachen Gemeindeangehörigkeit gegenüber zeigt das Bürgerrecht die Beson-
derheit, daß es mit der Verlegung des Wohnsitzes aus der Gemeinde nicht ohne weiteres
erlischt. Der Verlust des Bürgerrechts tritt vielmehr nur dann ein, wenn der Bürger
in den Bürgerverband einer anderen Gemeinde ausgenommen wird, wenn er wegen
Eintritts in den Staatsdienst sein Bürgerrecht aufkündigt, oder wenn er die badische
Staatsangehörigkeit verliert 2). Die bloße Verlegung des Wohnsitzes außerhalb der
Gemarkung bewirkt auch für die politischen Befugnisse nur ein Ruhen des Bürger-
rechtes 3). Mit der Rückkehr lebt das alte Recht ohne weiteres wieder auf.
Eine ähnliche Sonderstellung wie die Bürger der übrigen Gemeinden, jedoch nur
soweit es sich um den Bürgernutzen handelt, nehmen in den Städten der StOrdg.
diejenigen Personen ein, die vor der Einführung der St O. in der betreffenden Stadt
nach dem alten Rechte bereits eine Anwartschaft auf den Almendbezug erworben
hatten "), die Neubegründung von Almendnutzungen ist jedoch in den Städten der
St O. untersagt 5); ebenso gelten hier nicht die Vorschriften der Gde. Ordg. über
Verteilung des Gemeindevermögens.
2. Die aktive Mitgliedschaft in der Gemeinde besteht in dem Rechte der Mit-
wirkung bei der Bildung der Gemeindeorgane und in der Verpflichtung, gewisse
Funktionen für die Gemeinde (unbesoldete Gemeindeämter) zu übernehmen. Sie
wird erworben kraft Gesetzes mit dem Eintritt bestimmter Voraussetzungen, ohne daß
es einer ausdrücklichen Antrittserklärung oder eines Verleihungsaktes bedürfte 5).
In den Städten der St O., wo die Einrichtung der Ortsbürgergemeinde ganz
aufgehoben und das in Frage stehende Verhältnis hinsichtlich der aus ihm erwach-
senden Pflichten stärker ausgebildet ist, heißen die aktiven Gemeindemitglieder die
Stadtbürger: in den übrigen Gemeinden werden sie als „die Wahlberechtigten“
bezeichnet, wobei die nicht bürgerlichen aktiven Mitglieder für sich allein den Orts-
bürgern als „wahlberechtigte Einwohner“ gegenübergestellt werden.
Die oben erwähnten Voraussetzungen, bei deren Vorhandensein die aktive Mit-
gliedschaft für eine Person begründet wird, sind: männliches Geschlecht, Vollbesitz der
Rechtsfähigkeit und der bürgerlichen Ehrenrechte, Reichsangehörigkeit, und zurückge-
legtes 26. Lebensjahr. Außerdem wird erfordert, daß die in Betracht kommende Per-
sönlichkeit nicht im aktiven Militärdienst steht und seit zwei Jahren a) Einwohner
der Gemeinde ist, b) eine selbständige Lebensstellung eingenommen, c) keine Armen-
unterstützung aus öffentlichen Mitteln empfangen hat, d) zur Zahlung einer direkten
Steuer an eine zum Großherzogtum gehörende Gemeinde beigezogen ist, bezw. in
1) &+ 70 Gde. Ordg.
2) é& 70, 71 des BMRes.
3) Der Anspruch auf den Bürgernutzen kann unter Umständen auch für einen Abwesenden
ganz oder zum Teil aufrecht erhalten bleiben. Vgl. § 55 u. ff. des angef. Ges.
4) St O. §65 Abs. 2, 5 70, 5 104 ff.: andere Personen können einen Anspruch auf Bürgernutzen
nicht erwerben, die frei werdenden Teile fallen der Gemeinde zu.
5) StO. § 65 Abs. 1.
6) Es werden in den Gemeinden, abgesehen von den für die Ortsbürger bestehenden „Bürger-
büchern“ keine Mitgliederverzeichnisse geführt. 12·