§ 56 Die Staatsaufsicht über die Gemeinde. 189
aber gilt auch heute noch der Grundsatz, daß eine ortsstatutarische Regelung
nur da Platz greifen darf, wo das staatliche Gesetz dazu im Einzelfalle die Er-
mächtigung gegeben hat.
Zuständig zum Erlaß der ortsstatutarischen Vorschriften ist der Gemeinde-
vorstand, nachdem er vorher die Zustimmung der Gemeindevertretung und der
Staatsaufsichtsbehörde eingeholt hat. Im Zweifelsfalle liegt das Recht zur
Genehmigung der Ortsstatuten in den Händen der Ministerialinstanz.
z 56. Die Staatsaussicht über die Gemeinde. Nachdem die Gesetzgebung
des Jahres 1831 die Gemeinden aus der staatlichen Vormundschaft befreit hat,
beschränkt sich die beaufsichtigende Tätigkeit des Staates im wesentlichen da-
rauf, daß die Gemeinden die ihren Befugnissen gesteckten gesetzlichen Schran-
ken nicht überschreiten, daß sie die ihnen obliegenden gesetzlichen Verpflichtungen
erfüllen, und daß sie die für die Geschäftsführung geltenden Vorschriften beob-
achten 1).
Nur in einzelnen Fällen, so bei der Ausübung der Gemeindeautonomie
und bei bestimmten Handlungen auf dem Gebiete der Finanzverwaltung ist noch
an dem früheren Rechtszustande festgehalten und die Gültigkeit des gemeind-
lichen Willensaktes von einer hinzutretenden staatlichen Genehmigung abhängig
gemacht 2).
Nicht mehr um eine Staatsaufsicht über die Gemeinden, sondern um die Hand-
habung der Ordnungsgewalt innerhalb des staatlichen Dienstes handelt es sich
in den Fällen, bei denen die Aufsicht über diejenige Tätigkeit der Gemeinde-
organe in Frage kommt, welche die letzteren als mittelbare Staatsorgane aus-
zuüben haben, so z. B. auf dem Gebiete der Ortspolizeiverwaltung. Hier ist
die Staatsbehörde nicht nur ein aufsichtsführendes Organ, sondern die „vorge-
setzte" Behörde ?).
Die zur Handhabung der Staatsaufsicht gesetzlich zugelassenen Mittel sind zu-
nächst: Das Recht der Kenntnisnahme von der Tätigkeit der Gemeindeorgane,
das Recht, die gesetzwidrigen Beschlüsse der Gemeinden außer Kraft zu setzen
und die Befugnis, die Erfüllung der den Gemeinden obliegenden Pflichten nöti-
genfalls durch eigene Verfügungen, insbes. durch „Anordnung der erforder-
lichen Umlage“ (Zwangsetatisierung) zu erzwingen #.
Daneben besitzt die Staatsaufsichtsbehörde auch das Recht, gegen die pflicht-
widrig handelnden Mitglieder des Gemeindevorstandes und die notwendigen Ge-
meindebeamten persönlich vorzugehen durch den Ausspruch von Ordnungsstrafen
oder Anwendung der vom Gesetze so genannten Disziplinarmittel 5). Die letzteren
bestehen in der Erteilung eines Verweises, der Androhung, der Entlassung und
nach fruchtlosen „Besserungsversuchen“ in der Dienstentlassung, eventuell nach
vorheriger einstweiliger Enthebung vom Dienst. Eine solche Enthebung kann all-
1) Gde. u. St O. 54 172 a u. ff.
2) Vgl. unten im Text § 94.
3) Gde. u. St O. & 172, § 58. EG. zu d. RJG. F 131.
4) Gde. u. St O. 5 172 a Abs. 2 u. ff. Vgl. F 44 daselbst (Recht der Staatsbehörde, die Einbe-
rufung der Gemeindevertretung verlangen zu können).
5) Gde. u. St O. 5 172 a Abs. 7 und §§8 23 ff.