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der für die staatliche Beamtenwitwenkasse bestellte Verwaltungsrat und zwar un-
entgeltlich. Derselbe hat vor der Erlassung seiner Entschließungen die Beteiligten,
wozu nicht nur die Mitglieder, sondern auch die in Betracht kommenden Selbst-
verwaltungskörper rechnen, zu hören. Gegen seine Entschließungen ist in gewissen
Fällen die Klage an den Verwaltungsgerichtshof, im übrigen die Beschwerde an
das Ministerium des Innern eröffnet.
Bei der Beratung und Beschlußfassung über die allgemeinen Angelegen-
heiten der Anstalt hat sich der Verwaltungsrat durch Zuzug von Vertretern der
beteiligten Körperschaften zu erweitern. Diese Vertreter haben außerdem zur
Mitwirkung bei wichtigeren laufenden Geschäften einen aus zwei Personen be-
stehenden Ausschuß zu wählen.
Zur Verwaltung der Kassengeschäfte können die Gemeinde-, die Sparkassen
und die staatlichen Kassen mit herangezogen werden.
Dritter Abschnitt.
Die Gesetzgebung.
§65. Der Begriff des Gesetzes nach badischem Recht. Nach der Anschau-
ung des Begründers des badischen Staates war die Erzeugung von Rechtsnor-
men ausschließlich Sache des Landesherrn und der von ihm damit besonders
beauftragten Organe. Rechtsvorschriften sollten grundsätzlich nur entstehen durch
das von obrigkeitswegen erfolgende Geben von Gesetzen. Die Bildung von
Rechtssätzen im Wege der Gewohnheit wurde untersagt 1).
Für die einzelnen gesetzgeberischen Akte war eine eigenartige Form nicht
vorgeschrieben. Sie erschienen in den verschiedenen zur Veröffentlichung der
obrigkeitlichen Entschließungen verwendeten Blättern 2), ohne daß irgend ein
äußeres Zeichen auf ihre Besonderheit hingewiesen hätte. Entscheidend für die
Frage, ob ein Gesetz vorliege, war allein der Inhalt des Erlasses.
Das im Jahre 1810 zur Einführung gelangte badische Landrecht hatte zwar,
soweit es in der Uebersetzung des französischen Textes bestand, die im franzö-
sischen Recht gemachte scharfe Scheidung zwischen Gesetz (loi)h und Verordnung
(réglements) ohne weiteres übernommen; in den mit als Teile des Landrechtes
erklärten Zusätzen des Redaktors der neuen Kodifikation wurde aber diese Unter-
scheidung sofort wieder aufgehoben und der geltenden Uebung entsprechend der
Ausdruck „Verordnung“ auch zur Bezeichnung aller gesetzgeberischen Akte ge-
braucht 3). Eine gewisse Befestigung des Sprachgebrauches in der Benennung
1) Vgl. 1. Einf. Ed. zum Bad. LR. § 17, und 2. Einf.Ed. § 3; nur zur Auslegung des Ge-
setzeswillens wurde in ganz eng gezogenen Schranken das „Herkommen“ als bedeutungsvoll erklärt.
2) Größere Gesetze wurden besonders in Buchform herausgegeben, indem man sich in den
öffentlichen Blättern mit einem bezüglichen Verweise begnügte.
3) Vgl. LRS. 1 und 1 a. Die in der Literatur des Bad. Rechtes herrschende Ansicht glaubt,
daß in den beiden angeführten Sätzen Gesetz und Verordnung als etwas verschiedenes gegenüber-
gestellt seien. Die Erläuterungen Brauers zum LRS. 1a zeigen aber deutlich daß hier mit
Verordnung dasselbe gemeint ist, was in LRS. 1 als Gesetz bezeichnet worden. Der Zusatz 1 —a
wollte die in Satz 1 gegebene französische Vorschrift den badischen Verhältnissen anpassen. In
Frankreich wurden damals die Gesetzesvorschläge im gesetzgebenden Körper öffentlich verhandelt,
in Baden kamen sie vor dem Inkrafttreten der Verfassung meistens überraschend.