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67 Die Verordnungen. 215
Zukunft) von Einfluß sind, ausnahmslos die Zustimmung der Stände, also die
Einhaltung der Gesetzesform, verlangt wird.
c) Die unselbständigen Rechtsverordnungen beruhen entweder auf einer
ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung oder auf einer stillschweigend erteilten Voll-
macht. Letztere ist nach dem oben angeführten Inhalt des § 66 Verf.-Urk. dann
immer als gegeben anzunehmen, wenn der ausgesprochene Gesetzeswille zu seiner
Durchführung noch einer ergänzenden Rechtsvorschrift bedarft).
Auch hier hat sich seit dem Erlaß der Verfassung eine umfassende Wand-
lung in der Richtung vollzogen, daß an die Stelle der stillschweigenden Er-
mächtigungen immer mehr streng spezialisierende Einzelvollmachten getreten sind,
und daß auf den wichtigsten Gebieten der Staatstätigkeit die Begründung der
ausführenden Rechtsverordnungen auf die allgemeine Vollmacht des §s 66 Verf.=
Urk. gänzlich ausgeschlossen worden ist. Von durchschlagender Bedeutung war
hier der unterm 31. Oktober erfolgte Erlaß des Pol. Str GB., das die bis
dahin ergangenen, auf einer stillschweigenden Ermächtigung der aus vorkonstitu-
tioneller Zeit herrührenden Gesetze beruhenden, Verordnungen auf polizeilichem
Gebiete aufhob :2) und den Grundsatz verkündigte, daß zum Erlaß eines jeden
polizeilichen Gebotes oder Verbotes, von außerordentlichen Fällen abgesehen,
eine spezielle gesetzliche Ermächtigung erfordert werde. Die Vereinigung dieses
Grundsatzes mit den Bedürfnissen des praktischen Lebens suchte man dadurch zu
erreichen, daß man in dem neuen Pol. StrGB. durch Aufstellung einer großen
Reihe von Tatbeständen ein die verschiedenen Zweige der inneren Verwaltung um-
spannendes Netz zog, das dann den Rahmen abgab, in den die einzelnen Rechts-
verordnungen eingepaßt werden konnten. Dabei ging man in der Beschränkung
soweit, daß der verordnungsmäßigen Regelung nur der Erlaß des ergänzenden
Verwaltungsrechtssatzes überlassen wurde, während die Bestimmung der auszu-
sprechenden Strafe ganz der unmittelbaren gesetzlichen Anordnung vorbehal-
ten blieb.
Das durch das Pol. Str G. seiner Zeit gespannte und seitdem durch eine
Reihe von Nachtragsvorschriften weiter ausgedehnte Netz von Tatbeständen hat
eine ganz besonders erhebliche Erweiterung mit der Einführung des Rötr#B.
erfahren, da die Landesgesetzgebung für alle die Fälle, in denen die Blankett-
vorschriften des RStrE. beim Bestehen von Polizeivorschriften gewisse Hand-
lungen oder Unterlassungen unter Strafe stellten, die badischen Behörden zum
Erlaß solcher ergänzender Spezialvorschriften ermächtigte 3).
d) Zum Erlaß von Notverordnungen, die in das der formellen
Gesetzgebung reservierte Gebiet eingreifen, ist der Landesherr dann berechtigt,
1) Ein Beispiel einer solchen ohne besondere Delegation gegebenen V O. ist die unterm 4. Aug.
1890 erlassene Vollz. VO. zum Ortsstraßen Ges., die eine Reihe von Rechtssätzen enthielt.
2) 5+27 PStr#B. allerdings mit Befristung von zwei Jahren. Auf die Bezirks= und orts-
polizeilichen Vorschriften erstreckte sich die allgemeine Aufhebung nicht, nur wurden die darin enthal-
tenen Strafdrohungen dem neuen Gesetze angepaßt.
3) RStuG#B. Abschn. 29; bad. EG. z. RStG#B. Art. 3 Ziff. VI. Straß. Ges. v. 14. Juni 1884
34 Abs. 2; über die in der bad. Praxis lange Zeit hindurch angewandte irrtümliche Auslegung der
Bestgen, des RStrEGB. vgl. Thoma a. a. O. S. 318 ff. Siehe außerdem Otto Mayer,
D. Verw.R. 1 S. 331 ff.