Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band V. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (5)

8 69 Die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Gesetze und Verordnungen. 219 
  
Die selben Vorschriften können weiter auch von einem jedem Beteiligten, der 
sich durch deren Erlassung für beschwert erachtet, im Rekurswege angegriffen 
und von der zur Verbescheidung dieses Rechtsmittels zuständigen Stelle aufge— 
hoben werden 1). Auf dem Gebiete des Wasserverwaltungsrechts ist gegen orts- 
und bezirkspolizeiliche Vorschriften unter gewissen Voraussetzungen auch eine ver- 
waltungsgerichtliche Klage zugelassen 2). 
Handelt es sich um den „Fall außerordentlicher Vorkommnisse, welche die 
Sicherheit der Personen und des Eigentums schwer bedrohen“, so können nach 
der Bestimmung des § 29 PolStr GB. von den Polizeibehörden die zur Be- 
kämpfung dieser Gefahren notwendig erscheinenden Anordnungen, also auch „Vor- 
schriften“, erlassen werden, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob für diese An- 
ordnung eine gesetzliche Spezialdelegation besteht oder nicht, ja unter Umständen 
selbst in Widerspruch mit irgend einer Norm höherer Art. Und diese Anord- 
nungen können, sofern nur der für die reichsrechtlichen Uebertretungen vorge- 
schriebene Strafrahmen eingehalten ist, mit selbständig bestimmten Strafdrohungen 
bewehrt werden. 
Zuständig zum Erlaß einer solchen Notvorschrift ist nur das Bezirksamt und 
die höhere Verwaltungsbehörde, d. h. der Landeskommissär 3). Die Bürger- 
meister sind dazu nicht befugt; wohl aber vermögen die Bezirksämter auch da, 
wo sie die Ortspolizei nicht ausüben, von ihrem Notverordnungsrecht für eine 
einzelne Gemeinde Gebrauch zu machen. 
Die von den zuständigen Stellen verfügten Anordnungen dieser Art können 
immer nur in vorübergehender Weise erlassen werden. Dieselben verlieren jeden- 
falls nach Ablauf von vier Wochen ihre Wirksamkeit. Dauert die Veranlassung 
noch weiter fort, so geht die Notverordnungsgewalt auf das Ministerium über 4. 
Auf die Publikation und die Anfechtung dieser besonderen Art von Ver- 
ordnungen finden mangels ausdrücklicher Gesetzesbestimmungen die für alle Poli- 
zeivorschriften geltenden Grundsätze Anwendung). Diese Vorschriften unterliegen 
auch, allerdings in beschränktem Umfange, der richterlichen Prüfung. Eine selbstver- 
ständliche Grenze für ihre Anwendung bilden natürlich die etwa entgegenstehen- 
den Vorschriften des Reichsrechtes. 
§ 69. Die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Gesetze und Berordnungen. 
1. Das Recht zur Vornahme einer derartigen Prüfung besitzen einmal die 
Stände. Nach § 67 der Verf.-Urk. sollen „Verordnungen, worinnen Bestim- 
mungen eingeflossen, wodurch sie ihr Zustimmungsrecht für gekränkt erachten“, 
„auf ihre erhobenen gegründeten Beschwerden sogleich außer Wirksamkeit gesetzt 
1) 5 26 des Ges. Das Verfahren richtet sich nach der Ldh. V O. v. 31. Aug. 1884. Das Ver- 
fahren in Verw. Sachen betr.; zur Begründung des Rekurses genügt der Nachweis irgendwelcher In- 
teressenbeeinträchtigung. Näheres bei Schlusser a. a. O. S. 9. 
2) Wass. Ges. § 110. 
3) Ldh. VO. v. 20. IX. 1864 5 3 Ziff. 1, Verw. G. & 22 Abs. 2 Ziff. 5. Das Gesetz wollte seine 
Ermächtigung nur den draußen im Lande tätigen Behörden verleihen, das Ministerium besitzt die- 
selbe an und für sich nicht. Zutreffend Thoma a. a. O. S. 280 gegen Schlusser S. 13. 
4) PStrG. 529 Abs. 2 
5) a. A. Jolly- Eisenlohra. a. O. S. 69 ff.
	        
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