234 Die Verwaltung. Allgemeines. § 72
3. Die Ausschließ ung und Ablehnung der Gerichtspersonen be-
stimmt sich nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung.
Ueber die Ablehnung des Vorsitzenden des Bezirksrates entscheidet der VG.=
Hof, der eventuell, wenn für den abgelehnten Vorsitzenden ein allgemeiner Ver-
treter nicht zur Verfügung steht, den Vorsitzenden des Bezirksrates von sich aus
ernennt.
Die Tatsache, daß der Bezirksbeamte in der Sache amtlich tätig war, bildet
keinen Grund zur Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit 1).
4. Die Parteien im Verwaltungsrechtsstreit. Bei der Ein-
führung der Verwaltungsrechtspflege in Baden ging man, wie später auch in
Preußen, von dem Gedanken aus, daß die sich gegenübertretenden Beteiligten,
die vor dem Verwaltungsgerichte etwas erstreiten oder einen Anspruch bekämpfen
wollen, die Stellung von Parteien einnehmen sollten, wie im zivilprozessualen
Verfahren. Dieser Gedanke kam jedoch auch bei der Reform des Jahres 1884
zunächst nur bezüglich der ursprünglichen Verwaltungsstreitsachen, die in erster
Instanz vor den Bezirksräten zu verhandeln waren, in vollem Umfange zum
Ausdruck. Bezüglich der nachträglichen Verwaltungsstreitsachen, die erst nach Ab-
solvierung eines Vorverfahrens vor der Verwaltungsbehörde in erster und letzter
Instanz an den Verwaltungsgerichtshof gelangten, war bestimmt, daß dem
Kläger, auch wenn er nicht mit dem Staate selbst kämpfte, immer eine staat-
liche Behörde in der Beklagtenrolle gegenübertrat. Erst durch die Novelle des
Jahres 1899 wurde vorgeschrieben, daß auch vor dem Verwaltungsgerichtshofe,
wo derselbe als einzige Instanz tätig wird, in all den Fällen in denen der
Staat nicht unmittelbar beteiligt sei, der Streit „unter den Parteien“ verhan-
delt werden müsse, und daß die Staatsverwaltungsbehörde die Rolle einer Par-
tei nur noch dann zu übernehmen habe, wenn der durch sie repräsentierte Staat
als unmittelbar Berechtigter oder Verpflichteter in Betracht komme 2).
Da das Gesetz dabei einen weiteren Unterschied nicht macht, so werden
auch diejenigen Streitigkeiten, bei denen es sich nicht um subjektive Rechte,
sondern allein um die Aufrechterhaltung der objektiven Rechtsordnung handelt,
in der Form der Parteistreitigkeiten ausgetragen 3).
Wo die Staatsverwaltung Namens des Staates als Parteirollenträger er-
scheint, wird sie für die Führung des Rechtsstreites durch einen Bevollmächtigten
des zuständigen Ministeriums vertreten. Dies gilt insbesondere auch da, wo der
Bezirksbeamte aus Gründen des öffentlichen Interesses die Berufung eingelegt
oder die Klage erhoben hat“).
Das Gesetz sieht die Mitwirkung eines staatlichen Verwaltungsbeamten im
1) Bezüglich anderer Bezirksratsmitglieder wurde die frühere amtliche Mitwirkung innerhalb
der Gemeindebehörde als Ablehnungsgrund anerkannt. Urteil des VWGSH. vom 14. Nov. 1901. Zeit-
schr. 1902 S. 89 ff.
2) § 41 Ziff. 2 des VRPfl Ges. in der durch die Novelle vom 30. Mai 1899 erhaltenen Fassung.
3) So klagt der eine Gemeindewahl Anfechtende gegen die Gemeinde usw.
4) §§ 37, 41 Ziff. 3 des Ges. Als Gegner der Berufung bezw. Klage erscheinen hier die beiden
Parteien der ersten Instanz bezw. die beiden im Verwaltungsverfahren gegenüber gestandenen Be-
teiligten. Für die Vertretung des Staates ist dann eventuell ein weiterer besonderer Bevollmäch-
tigter zu ernennen.