Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band V. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (5)

254 Die Verwaltung der Finanzen. Die staatliche Finanzverwaltung. 877 
  
mit hatte die Amortisationskasse ihre gesetzliche Aufgabe erfüllt. Trotzdem wurde 
ihre Einrichtung beibehalten. Sie dient seitdem dem Staate als ein Bankin- 
stitut 1). 
Nach § 57 Abs. 1 der Verf.-Urk. bedarf die Aufnahme eines Anlehens zu 
ihrer Gültigkeit grundsätzlich der Zustimmung der Stände. Ausgenommen von 
dieser Vorschrift sind: die Anlehen, welche nur etatsmäßige Einnahmen antizi- 
pieren, sowie die Geldaufnahmen der Amortisationskasse, zu denen diese „vermöge 
ihres Fundationsgesetzes“ ermächtigt ist 2). 
An Stelle der Zustimmung der beiden Kammern genügt die bloße Einwilli- 
gung des ständischen Ausschusses, wenn es sich um ein Anlehen handelt, dessen 
Betrag die Summe von 50 0000 fl. (857 142 Mk.) nicht übersteigt, und dessen 
Aufnahme wegen außerordentlicher, unvorhergesehener, dringender Staatsausgaben 
oder wegen außerordentlicher Revenüenausfälle nötig wird, zu deren Deckung 
andere Einnahmen nicht zur Verfügung stehen 3). Die im § 73 der Verf.-Urk. 
dem Großherzoge eingeräumte Vollmacht, „bei Rüstungen zu einem Kriege und 
während der Dauer eines Krieges“, zur schleunigen und wirksamen Erfüllung 
seiner Bundespflichten“ gültige Staatsanlehen zu machen, ist im Hinblick auf die 
Vorschriften der Reichs-Verfassung und die Bestimmungen der Militärkonvention zwi- 
schen Preußen und Baden gegenstandslos geworden ). 
Der Vollzug der beschlossenen Anlehensaufnahmen ist ausschließlich Sache 
der Amortisations- und der Eisenbahnschuldentilgungskasse 5). 
Die Ermächtigung zur Aufnahme der mit Zustimmung der Stände be- 
schlossenen Anlehen wird regelmäßig in der Form eines Gesetzes beim Erlaß des 
Finanzgesetzes erteilt. Bei Begründung einer „schwebenden“, d. h. auf kurze 
Frist eingegangenen Schuld, wird die Form von Schatzscheinen gewählt; die auf 
längere Zeit berechneten Anleihen sind nach konstanter Praxis alle als Tilgungs- 
schulden eingegangen worden mit einer Sperrfrist von mehreren Jahren. 
Die Verwaltung der beiden Schuldentilgungskassen wird durch eine mit 
einem Direktor und der erforderlichen Zahl von Rechnungsbeamten besetzte be- 
sondere Behörde geführt, die seit neuester Zeit die Bezeichnung „Landesschul- 
denverwaltung“" trägt, und die der Aufsicht und Leitung des Finanzministeriums 
untersteht. Der Direktor der Landesschuldenverwaltung ist jedoch berechtigt und 
verpflichtet, seine Bedenken gegen gesetzwidrige oder ungeeignete Anordnungen des 
Finanzministeriums dem Staatsministerium zur Kenntnis zu bringen ). 
1) Buchenberger S. 239 bezeichnet sie mit Recht zugleich als eine Art von Sparkasse 
des Staates, „in der sich seitdem eine stattliche Kapitalreserve angesammelt hat“. 
2) Art. 10 des Amort.K Ges. Derselbe berechtigt die Kasse unter Aufsicht und Leitung des Fi- 
nanzministeriums Anlehen aufzunehmen: zur Zahlung von Schulden über den Betrag des Til- 
gungsfonds, zur Realisierung des nach Art. 8 des Ges. der Finanzverwaltung eröffneten ständigen 
Kredits sowie der durch das Staatsbudget etwa bewilligten außcrordentlichen Kredite. Diese Auf- 
nahmen können auf eine bestimmte Zeit immer nur für eine kurze Frist erfolgen, bei Auf- 
nahmen auf unbestimmte Zeit darf die Kündigungsfrist ein halbes Jahr nicht übersteigen. 
3) § 57 Abs. 2 Verf. Urk., Art. 12 Amort. K Ges. Die bezüglichen Verhandlungen sind jeweils 
dem nächsten Landtage vorzulegen. Amort. “ Ges. Art. 16. 
4) Vgl. insbes. Rchs. Verf. Art. 62 Abs. 3 und Mil. KKonvention v. 25. Nov. 1870 Art. 1. Zu- 
treffend die Ausführungen von Glockner zu §863 Verf. Urk. a. a. O. S. 141 gegen Wielandt, 
StR. S. 64 und 65. 
5) Art. 9 Amort.K G.; Art. 1 EschTK G. 
6) Ldh. VO. vom 14. November 1902 (G.u. VO#Bl. S. 351).
	        
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