8 89 Budgetrecht und Rechnungswesen. Geschichtliche Entwickelung. 283
Eine Kontrolle über die richtige Verwendung der von den Ständen bewilligten
Gelder wurde durch die Vorschrift ermöglicht, welche die Regierung verpflichtete,
mit dem Budget zugleich auch eine „detaillierte Uebersicht" über jene Verwendung
in den früheren Etatsjahren mitvorzulegen. An diese Vorlage konnten sich dann
seitens der Stände die im § 67 der Verf.-Urk. vorgesehenen Maßnahmen anknüpfen.
Ein Recht zur vorherigen oder nachträglichen Ausgabenbewilligung kam den
Ständen nicht zu.
Gleichwohl wurde eine dahingehende Berechtigung sofort nach dem Zusammen-
tritt des ersten Landtages beansprucht. Die Regierung setzte dem, wenn auch vom
Jahre 1831 an in der Form des Auflagegesetzes die Aenderung eintrat, daß man die
Zustimmungserklärung der Stände ohne weiteren Vorbehalt auf das ganze Budget
erstreckte, in der Zeit bis zum Ausbruch der Revolution der Sache nach stets energischen
Widerspruch entgegen. Vom Jahre 1850 an gestaltete sich jed och die Praxis auch auf Seite
der Regierung derart, daß man nicht nur die aus Auflagen fließenden Einnahmen,
sondern auch alle anderen Staatseinnahmen und ebenso die zu machenden Ausgaben
dem ständischen Mitbestimmungesrechte unterstellte.
Eine gesetzliche Festlegung dieses durch die Gewohnheit mehrerer Jahrzehnte
sanktionierten Zustandes erfolgte sodann durch das sogen. Etatgesetz des Jahres 1882 1),
welches vor allem auch die immer mehr zur Anwendung gekommene Spezialisierung
des Staatsvoranschlages gesetzlich genauer bestimmte und die seit dem Jahre 1831
bestehende Uebung, den ganzen Etat in der Form eines Gesetzes, durch das sogen.
Finanzgesetz, festzustellen, ausdrücklich sanktionierte 2). Die Verfassungsrevision des
Jahres 1904 hat hieran nichts geändert.
Hand in Hand mit der Erweiterung der ständischen Zuständigkeit auf dem Ge-
biete der Budgetfeststellung ging eine Verstärkung der Befugnisse der Kammern hin-
sichtlich der Rechnungsprüfung. Die im Jahre 1876 nach dem preußischen Vorbilde
neu organisierte Oberrechnungskammer 3) wurde zu einem von der Staatsregierung
unabhängigen Hilfsorgan der Stände umgestaltet, und in dem oben erwähnten Etat-
gesetz fanden eine Reihe von Spezialvorschriften Aufnahme, die eine wirksamere Kon-
trolle der Staatshaushaltsführung gewährleisteten. Zu der besonders von der zweiten
Kammer wiederholt begehrten Anordnung 4), daß auch die Rechnungsverbescheidung
in der Form eines Gesetzes erfolgen solle, kam es nicht. Auch die Verfassungsnovelle
des Jahres 1904, welche die Nachweisungen und die vergleichenden Darstellungen
des §55 Verf. Urk. zu den „die Finanzen betreffenden Vorlagen“ rechnete, hat zwischen
diesen „Vorlagen“ und den die Finanzen betreffenden „Gesetzesentwürfen“ ausdrücklich
unterschieden.
1) Ges. v. 22. Mai 1882 „über den Staatsvoranschlag und die Verwaltung der Staats-Ein-
nahmen und Ausgaben“ (G.u. VOl. S. 155). Dasselbe hat durch das unterm 24. Juli 1888 im
Zusammenhang mit dem Beamtengesetz erlassene Gesetz in seinem dritten Abschnitt eine neue
Fassung erhalten (G.u. VOl. 1888 S. 510) und wurde wiederum abgeändert gelegentlich der Re-
form des Beamtenrechtes im Jahre 1908. Vgl. Ges. v. 12. Aug. 1908 (G. u. VO Bl. S. 416).
2) Das „Finanzgesetz“ führt die Bezcichnung: Gesetz, die Feststellung des Staatshaushaltes
für die Jahre betr.; der Ausdruck „Finanzgesetz“ findet sich auch schon in älteren Gesetzen, z. B.
im Kapitalrentensteuergesetz; daneben wird auch die Bezeichnung „Staatshaushaltsgesetz“ ge-
braucht, so z. B. im Weinsteuergesetz usw.
3) Ges. v. 25. Aug. 1876 (G.u. VOl. S. 289), geändert durch das Ges. v. 29. Jan. 1884
(G. u. VGBl. S. 10) und das Beamt. Ges. v. 24. Juli 1888 S. 399.
4) Vgl. hierüber z. B. v. Calker a. a. O. S. 112, 204.