284 Die Verwaltung der Finanzen. Die staatliche Finanzverwaltung. 8 90
§ 90. Der Staatsvoranschlag. I. Einteilung desselben. Das Staats-
budget besteht aus dem Voranschlag für die allgemeine Staatsverwaltung und
den Voranschlägen für die ausgeschiedenen Verwaltungszweigece.
Zu den letzteren gehören die Verkehrsanstalten (Eisenbahnbetrieb= und Bodensee-
dampfschiffahrtsverwaltung), die Eisenbahnbauverwaltung und die Eisenbahnschulden-
tilgungskasse 1).
Jeder Voranschlag zerfällt in einen ordentlichen Etat, der alle Einnahmen
und Ausgaben aufzunehmen hat, die — wenn auch der Größe nach wandelbar — regel-
mäßig wiederzukehren pflegen, und in einem außerordentlichen Ctat, in
dem solche Einnahmen und Ausgaben darzustellen sind, die nur einmal oder aber,
wenn auch öfters, so doch nur vorübergehend und unregelmäßig vorkommen.
Die auf feststehenden Normen beruhenden Einnahmen und Ausgaben des ordent-
lichen Etats sind entweder nach ihrem neuesten Stand oder, wenn in der betreffenden
Voranschlagsperiode eine Aenderung bevorsteht, unter spezieller Begründung dieser
Aenderung mit der erforderlichen Summe in den Voranschlag einzustellen. Bei
wandelbaren Posten ist in der Regel der Durchschnittsbetrag der letzten drei Jahre
als künftiger Budgetsatz aufzunehmen.
Die Einnahmen und Ausgaben des außerordentlichen Etats sind jeweils nach
ihrer Veranlassung und Größe besonders zu begründen. Bei baulichen Unterneh-
mungen sollen vorher die Pläne und Kostenanschläge im einzelnen ausgearbeitet sein.
Das Budget der allgemeinen Staatsverwaltung zerfällt in eine Reihe von
Spezialbudgets, die nach dem Geschäftskreise der einzelnen obersten Staats-
behörden 2) aufgestellt sind. Die Spezialbudgets sind wiederum in Titel, Abteilungen
und Unterabteilungen in angemessener Weise zu zerlegen, so daß die untersten Ab-
teilungen (Positionen) nur den Gesamtbetrag gleichartiger und zusammenhängender
Einnahmen und Ausgaben enthalten 3).
Die Aufstellung des Budgets erfolgt für zwei Jahre, die mit den Kalenderjahren
zusammenfallen ).
II. Die Feststellung des Staatsvoranschlages, das Finanz-
gesetz.
Der von der Regierung entworfene Voranschlag erhält seinen rechtlichen Bestand
erst durch die hinzutretende Gutheißung von seiten der Stände. Der Beratung und
Beschlußfassung durch die Stände unterliegen alle Positionen des Voranschlages,
die darin ausgenommenen Einnahmen sowohl wie die Ausgaben 5).
1) Das Budget der Badeanstaltsverwaltung ist Her dem Jahre 1902 dem Budget des Minist.
d. J. einverleibt. Vgl. Glockner a. a. O. S.
2) Das Ges. spricht hier von einer Mehrzahl 90 sbersten Staatsbehörden im Gegensatz z.
zu §& 67 a Verf. Urk. Gemeint sind hier: das Staatsministerium, die Ressortministerien und ne
Oberrechnungskammer.
3) Art. 5 des Ges., vgl. Glockner a. a. O. S. 348. Besondere Vorschriften gelten für im
Budget zu stellenden Anforderungen für die etatmäßigen Beamten, deren Bezüge in besonderen
Gehaltsetats zusammenzufassen sind unter getrennter Hervorhebung der Dienstzulagen. Einzel-
vorschriften bestehen weiter über die für außerordentliche Belohnungen und Beihilfen an Beamte
und ihre Hinterbliebenen vorzusehenden Beträge. Art. 22, 28, 29—30 à des Ges.
4) Verf. Urk. 54.
5) Dies gitt auch für die Voranschläge der ausgeschiedenen Verwaltungszweige. Vgl. Glolk-
ner a. a. O. S. 349 und 138.