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das gesamte Einkommen der im Großherzogtum garnisonierenden Personen der be—
zeichneten Art ist solange der Gemeindebesteuerung entzogen, als diese Personen der
Besatzung eines zum auswärtigen Dienste bestimmten Schiffes der Kais. Marine oder
einem mobilen Truppenteil angehören; von den auf die Steuerwerte des Kapital-
vermögens und auf die Einkommensteueranschläge entfallenden Gemeindesteuern,
soweit das Einkommen nicht aus Grundbesitz oder Gewerbe herrührt, sind vollständig
befreit die servisberechtigten Militärpersonen des Friedensstandes unter Offiziersrang.
s 94. Das Gemeinderechnungswesen. Die Führung der Gemeinderech-
nmung liegt in den Händen des auf Vorschlag des Gemeinderates vom Bürgeraus-
schuß ernannten Rechners. Jede Zahlung aus der Gemeindekasse setzt eine von dem
Gemeinderat oder einer mit Dekreturbefugnis ausgestatteten Kommission verfügte
Anweisung voraus.
Der Gemeindevoranschlag, der die Gemeindeeinnahmen, die Aus-
gaben und die Deckungsmittel der letzteren enthalten muß, ist vom Gemeinderat unter
Zuzug des Rechners jährlich aufzustellen und zur öffentlichen Kenntnis zu bringen.
Ausnahmsweise kann auf den Antrag des Gemeinderates seitens der Staatsaussichts-
behörde die Stellung des Voranschlages auf drei Jahre gestattet und den kleineren
Gemeinden die Stellung ganz nachgelassen werden. Ueber den Voranschlag beschließt
zunächst der Bürgerausschuß, bezw. die Gemeindeversammlung. In den Gemeinden
mit 4000 und weniger Einwohnern unterliegt der Voranschlag weiter noch der Prü-
fung und Genehmigung der Staatsaufsichtsbehörde. In den größeren Gemeinden
ist der Voranschlag der Staatsbehörde nur zur Einsicht vorzulegen; macht die Be-
hörde von ihrem Aufsichtsrechte innerhalb einer Frist von 30 Tagen keinen Gebrauch,
so ist der Voranschlag vollzugsreif ½.
Die Gemeinderechnung ist zunächst vom Gemeinderat zu prüfen und in
einer Sitzung der Gemeindevertretung, eventuell nach Ausgabe eines gedruckten
Rechenschaftsberichtes zu verkündigen. In den Gemeinden mit 4000 und weniger Ein-
wohnern ist die Rechnung sodann der Staatsbehörde zur Abhör einzusenden, während
in den größeren Gemeinden die Abhör durch die hier besonders zu bestellende Rech-
nungsprüfungskommission geschieht; den Bescheid erteilt hier der Bürgerausschuß 2).
Ueber die Aufnahme von Anlehen beschließt, wenn dieselben inner-
halb des Rechnungsjahres wieder aus laufenden Einnahmen getilgt werden können,
der Gemeinderat, andernfalls die Gemeindevertretung. Zu Kapitalaufnahmen dieser
letzteren Art bedarf es außerdem der Genehmigung der Staatsaussichtsbehörde.
Diese Genehmigung darf nur erteilt werden, „wenn die ordentlichen Einnahmen der
Gemeinden erschöpft und zu einer unvermeidlichen aber höchst nützlichen Ausgabe
Militärpersonen, für welche bei der Nachsuchung des Heiratskonses der Besitz eines bestimmten Vermö-
gens nachzuweisen war, auf den vorschriftsmäßigen Satz des letzteren. § 2 Abs. 1 Ziff. 2 des Ges.
1) Gde.(St.) O. 35 148—155. Vgl. außerdem die Verordnungen über die Voranschlagsauf-
stellung und über die Rechnungsführung in beiden Arten von Gemeinden, vom 11. Sept. 1883
und 1. Dez. 1884, die seitdem zahlreiche Abänderungen erfuhren und in ihrer neuesten Fassung in
amtlichen Sonderausgaben erschienen sind.
#. 2) Es ist jedoch den größeren Gemeinden gestattet, die Genehmigung des Voranschlages und
die Rechnungsabhör auch der Staatsbehörde zu unterstellen. In den StO. Städten wird die
Abhörkommission vom Vorstand der Stadtverordneten aus deren Mitte ernannt; bei der Er-
teilung des Bescheides haben die Mitglieder der städtischen Verwaltung nicht mitzustimmen.
85 154a u. b StO.