Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band V. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (5)

§ 10 Die Rechte der Staatsangehörigen. 19 
  
anerkannten Grundsatze, dem Vorbilde der vorausgegangenen kontinentalen Ver- 
fassungen sich anschließend, in der Weise Ausdruck verliehen, daß sie in dem II. 
Abschnitt unter der Ueberschrift: „Staatsbürgerliche und polit. Rechte der Badener 
und besondere Zusicherungen“ eine Reihe von sogenannten „Grundrechten“ auf- 
stellte, welche den Staatsangehörigen auf denjenigen Gebieten vor Verletzungen 
schützen sollten, auf welchen solche in den absoluten Staaten besonders üblich 
waren. 
Vom juristischen Standpunkte aus betrachtet enthalten diese Zusicherungen 
nicht etwa die Verleihung besonderer Individualrechte gegenüber dem Staate, 
sondern lediglich ein Gebot an die Gerichts= und Verwaltungsbehörden, gewisse 
bisher als statthaft angesehene Eingriffe zu unterlassen, sowie ein Programm 
für die künftige Gesetzgebung, der in negativer wie in positiver Richtung bestimmte 
Anweisungen erteilt werden 1). Jenes Gebot versteht sich bei der Herrschaft des 
von der Verfassung angenommenen Grundsatzes, daß jeder Eingriff in die Frei- 
heit oder das Vermögen einer Person auf gesetzlicher Grundlage beruhen muß, 
(5§s 65 V.-Urk.) von selbst; und auf die Führung der Gesetzgebung nach Maßgabe 
des vorgezeichneten Programms besitzt niemand einen rechtlichen Anspruch. 
Als Grundrechte der Badener nennt die Verfassungsurkunde: 
1) Den Anspruch auf gleiche Behandlung vor dem Gesetz. 
(Verf.-Urkunde §### 7—10). 
Die Behörden sind angewiesen, die bestehenden gesetzlichen Vorschriften, so- 
weit nicht in diesen letzteren selbst etwas anderes bestimmt ist, auf alle Staats- 
angehörigen gleichmäßig anzuwenden. Die früher vorgekommene verschiedentliche 
Behandlung der Einzelnen mit Rücksicht auf ihre Konfession oder Abstammung 
ist verpönt; dagegen sind die auf gesetzmäßiger Grundlage beruhenden Rechts- 
unterschiede zwischen den einzelnen Staatsangehörigen keineswegs beseitigt. 
2. Die Freiheit des Aufenthaltes und der örtlichen Be- 
wegung (durch Bezugnahme auf das Gesetz vom 14. August 1817 über die 
Wegzugsfreiheit. Verf.-Urk. & 12; in der Folge ersetzt durch das Landesgesetz 
vom 4. Oktober 1862 und vom 5. Mai 1870 bezw. das RG. vom 1. Nov. 1867). 
3. Freiheit der Person gegen willkürliche Eingriffe der Staatsorgane, 
besonders gegen willkürliche Verhaftungen. Sie wird gewährleistet durch die Auf- 
stellung unabhängiger nur dem Gesetze unterworfener Gerichte, das Verbot von 
Ausnahmegerichten sowie durch genaue Bestimmungen über die Form und die 
Dauer der Verhaftung. (Verf.-Urk. §§ 13, 14 Abs. 1, 15). Es sind dies die 
gleichen Grundsätze, die später auch von der Reichsjustizgesetzgebung angenommen 
wurden. 
4. Freiheit des Eigentums (& 13 V.-Urk.). Der einzelne soll ins- 
besondere auch in der Benützung seines Vermögens gegen jeden gesetzwidrigen 
Eingriff geschützt sein, und es sollen ihm, soweit das Institut der Enteignung 
Platz greift, die nötigen Garantien zur Sicherung seiner Interessen zur Seite 
stehen. Der Gesetzgeber verspricht weiterhin, alle Vermögenskonfiskationen abzu- 
1) BVgl. statt aller anderer die grundlegenden Ausführungen von Jellinek, System der 
fubj. öffentl. Rechte, 2. Aufl. 1905, S. 94 u. ff. 
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