20 Die natürlichen Grundlagen des Staates. Das Staatsvolk. 8 10
schaffen (V.-Urk. 88 14 Abs. 3, 16). Den Ausbau des Enteignungsrechtes brachte
das Gesetz vom 28. Aug. 1835, an dessen Stelle das Enteignungsgesetz vom
26. Juni 1899 getreten.
5. Preßfreiheit, in der Verf.-Urk. (§ 17) nur mit dem wenig verspre-
chenden Hinweis auf die Bestimmungen der Bundesversammlung eingeführt, die im
Jahre 1831 sogar zur Beseitigung des in Baden geltenden freisinnigen Preßgesetzes
führten; heute gewährleistet durch das R.G. über die Presse vom 7. Mai 1874.
6. Gewissensfreiheit (Verf.-Urk. § 18). „Jeder Landeseinwohner ge-
nießt der ungestörten Gewissensfreiheit und in Ansehung seiner Art der Gottes-
verehrung den gleichen Schutz.“
Der durch die Verfassung umschriebene Freiheitskreis der Staatsangehörigen
hat in der Folge vor allem noch einen weiteren Ausbau erfahren durch die Ein-
führung der Verehelichungsfreiheit (1862 bezw. 1870) der Gewerbefreiheit (1862)
und der Vereins- und Versammlungsfreiheit (1867), die heute sämtlich auch reichs-
rechtlich garantiert sind. Er gilt, wie bereits erwähnt, heute nicht nur für die
Badener und die Reichsdeutschen, sondern mit Ausnahme des Aufenthaltsrechtes
auch für die Reichsausländer.
II. Da der Staat nur besteht seiner Angehörigen wegen, so können die Mit-
glieder desselben auch von ihm verlangen, daß er nicht nur ihren Freiheitskreis
achtet, sondern daß er sie auch in ihren Interessen fördert, soweit diese Interessen
mit denen der Gesamtheit in Einklang stehen. Dies hebt auch das mehrerwähnte
VI. Konst.-Edikt in seiner etwas schwerfälligen Beschreibung des rechtlichen Inhaltes
des Staatsbürgerrechts ausdrücklich hervor.
Ein wesentlicher Teil dieser staatlichen Fürsorge tritt in der Weise ein, daß
der Staat objektives Recht schafft, das seine Wirkungen auf die Angehörigen des
Staates reflektiert, ihnen Schutz gewährt und Vorteile zufließen läßt. Der Staat
verleiht daneben aber auch dem einzelnen unmittelbare Ansprüche auf seine
Tätigkeit und stellt ihm Rechtsmittel zur Verfügung, um dieselben zu realisie-
ren. Ihrem Inhalt nach fallen diese Ansprüche in die verschiedensten Lebens-
gebiete, in formeller Beziehung lassen sie sich einteilen in Ansprüche auf Leistun-
gen der Gerichte und in solche auf Tätigkeit der Verwaltung. Der öffentliche
Rechtsschutzanspruch hat seine Anerkennung auch in der Verf.-Urkunde gefunden: Nie-
mand kann seinem ordentlichen Richter entzogen werden; der Großh. Fiskus nimmt
in allen Privatrechtsstreiten Recht vor den Landesgerichten (Verf.-Urk. §#5 15, 14
Abs. 2). Er ist weiter ausgebildet durch die Justizgesetzgebung des Landes und
des Reiches sowie durch die Landesgesetze über die Verw.-Rechtspflege. Der An-
spruch auf Verwaltungstätigkeit tritt sowohl in dem Institut der Verwaltungs-
klage als auch in der Einführung der Rechtsbeschwerde (in dem sogen. Recht des
Rekurses und in dem Recht der Beschwerde an die Stände) in Erscheinung.
Die Gewährung des den Staatsangehörigen zukommenden Rechtsschutzes, so-
weit derselbe von den bürgerlichen oder Strafgerichten auszugehen hat, steht seit
der Begründung des deutschen Reiches noch unter dem besonderen Schirm der
Reichs-Verf., die (Art. 77) für den Fall einer Justizverweigerung die Anrufung
des Bundesrates gestattet.