§ 99 Polizeimaßregeln gegenüber bestraften Personen. 309
Reichsausländern kann der Aufenthalt an einem Orte oder im ganzen Lande
versagt werden „im Interesse der öffentlichen Sicherheit oder Sittlichkeit“ wegen einer
in den letzten fünf Jahren ausgesprochenen Freiheitsstrafe, oder auf Antrag eines
Armenverbandes wegen mangelnder Unterhaltsmittel. Außerdem kann das Mini-
sterium des Innern die Ausweisung eines Reichsausländers jederzeit verfügen, wenn
derselbe die innere oder äußere Sicherheit des Staates gefährdet 1). Eine Klage an
den Verw. Ger. Hof ist den Ausländern allgemein versagt 2).
Die Ausstellung von Pässen, Paßkarten, Staatsangehörigkeitsausweisen (Heimats-
scheine) erfolgt durch die Bezirksämter. Zum Vollzug von Ausweisungen können
Zwangspässe ausgestellt werden, deren Ueberschreitung einer gesetzlich angedrohten
Strafe untersteht 3).
Die ebenfalls mit einer besonderen landesgesetzlichen Strafe bedrohten Vor-
schriften über das polizeiliche Meldewesen,, die sich auf den Zuzug und Wegzug,
die Fremdenbeherbergung in Gasthöfen, auf die Einstellung und Entlassung von Dienst-
boten und Gewerbsgehilfen sowie auf den Wohnungswechsel innerhalb des Orts
beziehen, sind im Wege der Verordnung erlassen 4), an die sich orts= und bezirks-
polizeiliche Vorschriften anschließen.
199. Polizeimaßregeln gegenüber bestraften Personen. 1. Die auf Grund des
RStrG. für zulässig erklärte Stellung unter Polizeiaufsicht, die nur dann
durchgeführt werden soll, wenn begründete Besorgnis besteht, daß der Verurteilte
die wiedererlangte Freiheit in gemeingefährlicher Weise mißbrauchen werde, wird
auf Grund eines Gutachtens der Gefängnisverwaltung und des Bezirksamts von dem
Landeskommissär angeordnet, in dessen Bezirk der Verurteilte nach der Entlassung
seinen Aufenthalt nehmen will und wird, wenn nicht die Ausweisung (gegen Aus-
länder) verfügt wird, auf mindestens sechs Monate verhängt. Der unter Polizeiaussicht
Gestellte ist verpflichtet, von jedem Wechsel seines Aufenthaltes der Polizeibehörde
alsbald Meldung zu erstatten 5).
2. Ist in einem strafgerichtlichen Urteil die Ueberweisung an die Landespolizei-
behörde ausgesprochen, so hat ebenfalls der Landeskommissär die Entscheidung dar-
über, ob und auf welche Zeitdauer, der Verurteilte, wenn nicht die Ausweisung aus
dem Reichsgebiete verfügt wird, einer korrektionellen Nachhaft durch Unterbringung
im Arbeitshause zu unterwerfen sei 4). Der die Nachhaft anordnende Beschluß des
Landeskommissärs, dem eine nochmalige Prüfung der Verhältnisse vorauszugehen
hat, erstreckt sich erstmals auf eine Zeit von sechs Monaten, im Wiederholungsfalle
auf eine Zeit bis zu zwei Jahren. Gegen den Beschluß ist der Rekurs an das Mini-
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1) 3§s 3 und 4 des Ges. Die Regierung ist ermächtigt, im Wege der Verordnung das Aufent-
haltsrecht der Ausländer nach dem Grundsatze der Retorsion für die einzelnen fremden Staats-
angehörigen verschieden zu gestalten. §& 5 des Ges.
2) VRPflG. 8 4 Abs. 5 Ziff. 1.
3) RG. über das Paßwesen v. 12. Okt. 1867 (Bd. Gbl. S. 33) bes. 8 10; dazu PStrGB. 8 48.
4) PStrGB. 8 49, VO. des Min. d. J. v. 20. April 1883 (G. u. VCBI. S. 125) und v. 10. De-
zember 1891 (G.u. VOl. S. 239). Ein besonderes durch VO. vorgeschriebenes Reiseverbot be-
steht für die Zigeunerhorden. V. v. 25. Januar 1908 (G.u. VOBl. S. 21).
5) VO. v. 11. Mai 1883 (G. u. VOBl. S. 140). Gegen Verurteilte, die sich während der Straf-
verbüßung gut geführt haben, soll die Pol. Aufsicht nicht angewendet werden.
6) VO. v. 19. Dez. 1889 (G.u. VOl. S. 527). «