Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band V. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (5)

8 100 !4r!“m— Preß-, Vereins= und Versammlungspolizei. 311 
  
züglich der Beschränkungen hinsichtlich des Gebrauches fremder Sprachen. Neu ist 
dem badischen Rechte gegenüber das in §J 17 des RVG. ausgesprochene Verbot be- 
züglich der Personen unter 18 Jahren. 
Als Polizeibehörde ist im Vollzug des RVGes. im Zweifelsfall das Bezirksamt 
zur Tätigkeit berufen 1), als höhere Verwaltungsbehörde und Landeszentralbehörde 
fungiert das Ministerium des Innern. Die reichsrechtlich zugelassene Klage gegen 
die Auflösung eines Vereins oder einer Versammlung geht an den Verw. G. Hof?). 
Die bei der Einführung des neuen Rechtes bereits bestehenden politischen Vereine 
haben die im § 3 RVG. vorgesehene Anmeldung spätestens bei der nächsten vorkom- 
menden Aenderung der Satzungen oder der Zusammensetzung des Vorstandes nach- 
zuholen. Für die Abhaltung einer öffentlichen politischen Versammlung fällt die 
Anzeigepflicht dann weg, wenn Zeit und Ort sowie der Name des Veranstalters der 
Versammlung in einer im Amtsbezirk erscheinenden Zeitung oder durch öffentliche, 
in die Augen fallende Anschläge am Versammlungsorte bekannt gegeben sind. Oeffent- 
liche Versammlungen und Aufzüge auf öffentlichen Straßen und Plätzen bedürfen der 
bezirksamtlichen Genehmigung 3); öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel, 
die nicht auf öffentlichen Straßen oder Plätzen stattfinden, bedürfen einer Genehmi- 
gung nicht, wenn sie wenigstens 24 Stunden vorher dem Bezirksamt in der oben er- 
wähnten Form angezeigt sind. Keiner Genehmigung oder Anzeige bedürfen gewöhn- 
liche Leichenbegängnisse sowie die hergebrachten Züge der Hochzeitsgesellschaften, 
Aufzüge und Aufmärsche der Feuerwehren, Sanitätskolonnen, Kriegervereine, 
Innungen, Schulen, sowie Aufzüge von Vereinen zu geselligen und sportlichen Zwek- 
ken. Bei genehmigungspflichtigen Aufzügen, die durch mehrere Orte führen, genügt 
die Erlaubnis desjenigen Bezirksamtes, in dessen Bezirk der Aufzug seinen Anfang 
nimmt /). Bei allen Aufzügen und bei Versammlungen unter freiem Himmel bleiben 
die zur Verhütung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit erforderlichen beson- 
deren polizeilichen Anordnungen vorbehalten. Der Gebrauch einer nichtdeutschen 
Sprache ist in den in § 6 Abs. 3des RVG. bezeichneten öffentlichen Versammlungen all- 
gemein zulässig; in anderen öffentlichen Versammlungen kann derselbe neben den 
im #12 Abs. 2 des RVG. bezeichneten Fällen gestattet werden. Gegenüber Volks- 
festen und sonstigen außergewöhnlichen Massenansammlungen können 
durch die Bezirks= und Ortspolizeibehörden besondere Anordnungen getroffen werden, 
deren Uebertretung besonders mit Strafe bedroht ist 5). Soll in der Ausübung poli- 
zeilichen Zwanges gegen eine Menschenansammlung zur Anwendung der Waffe ge- 
schritten werden, so muß die Volksmenge vorher dreimal zum ruhigen Auseinander- 
gehen aufgefordert werden s). 
  
1) In den Fällen des § 5 des RVG. (Anzeige einer einfachen politischen Versammlung) tritt 
an seine Stelle die Ortspolizeibehörde. 
2) 88 41ff. VRPflG. 
3) Die Genehmigung ist wie die Bescheinigung einer vorgeschriebenen Anzeige bei Zahlung 
der besonderen Kosten eventuell telegraphisch zu erteilen. Die Versagung oder Beschränkung der 
Genehmigung ist dem Veranstalter sofort unter Angabe der Gründe zu eröffnen. 
4) Von der erteilten Genehmigung sind die in Betracht kommenden Bezirksämter und Orts- 
polizeibehörden sofort zu verständigen. 
5) §59 PStrEG. Bgl. auch den Vorbehalt in § 1 Abs. 2 der RVG. (Geld-Strafe bis zu 
20 Mark oder Haft bis zu 3 Tagen). 
6) §5 3 der VO. v. 3. Febr. 1872. (G.u. VO#l. S. 81.)
	        
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