312 Die innere Verwaltung. Das Armenwesen. 8 101
Für den Schaden, der dadurch verursacht wird, daß von einer größeren zusammen-
gerotteten Menge oder von einer bewaffneten oder unbewaffneten Vereinigung
Mehrerer mit offener Gewalt strafbare Handlungen gegen die Person oder das Ver-
mögen begangen werden, haften neben den Tätern die Gemeinden, in deren Bezirk
die Handlungen begangen wurden 1). Die Verteilung des Schadens unter die ein-
zelnen Gemeinden erfolgt nach dem Maß der Beteiligung ihrer Angehörigen. An
Stelle der Gemeinde des Tatortes haftet unter Umständen diejenige Gemeinde, aus
der die Täter gekommen. Ist der Schaden von einer Rotte verursacht, die überwiegend
aus nicht beurlaubten Soldaten bestand, so haftet statt der Gemeinde der Staat.
Inhalt und Umfang der Schadensersatzpflicht bestimmt sich nach den Vorschriften
des BGB.; etwaige Streitfragen entscheiden die bürgerlichen Gerichte.
Die Verteilung des von einer Gemeinde bezahlten Schadens erfolgt auf deren
Bewohner zum Teil nach Köpfen zum Teil nach Maßgabe des Steuerkapitals.
Das durch die Landesgesetze vom 29. Januar 1851 dem badischen Staatsmini-
sterium eingeräumte Recht, den Kriegs zustand und das Inkrafttreten des
Standrechtes zu erklären 2), ist durch die Einführung der R. Verf. und den
Abschluß der Milit. Konv. mit Preußen aufgehoben worden 2). Die letztere sieht eine
Verpflichtung des Militärs zum Eingreifen in bürgerliche Verhältnisse nur für den
Fall vor, daß eine Requisition zu polizeilichen Zwecken geschieht, deren Erfüllung unter
Aufrechterhaltung des allgemein gültigen Rechtszustandes erfolgen soll 4).
Zweites Kapitel.
BRas Armenwesen.
§ 101. Einleitung. Auch nach der im Jahre 1863 einge führten Freizügigkeit be-
hielt das in Baden geltende Recht der Armenverwaltung seine bisherige, auf der
Bürgergemeinde und der Heimatsangehörigkeit beruhende Grundlage im wesent-
lichen noch unverändert bei 5). Erst das gleichzeitig mit der Weiterbildung des
Aufenthaltsrechtes erlassene Armengesetz vom 5. Mai 1870“/), welches das gesamte
Gebiet der Armenverwaltung neu regelte, brachte das in Preußen schon lange geltende
und vom Norddeutschen Bund übernommene Prinzip auch in Baden zur Einführung,
wonach die Frage, von wem ein Hilfsbedürftiger zu unterstützen sei, sich allein nach
der Tatsache des Wohnsitzes oder Aufenthaltes des Hilfsbedürftigen bestimmt.
Das neue Gesetz war kaum zwei Jahre in vollem Umfange in Geltung gestanden,
als es durch die unterm 1. Januar 1873 in Kraft tretende Einführung des Unterstützungs-
1) Ges. v. 13. Febr. 1851 (Reg. Bl. S. 155), EG. zum BG#B. Art. 108. Vgl. dazu die eingehende
Darstellung bei Dorner und Seng a. a. O. 7 32.
2) Reg. Bl. S. 39 und 43. RVerf. Art. 68.
3) Uebereinstimmend vor allem Labanda. a. O. § 97; anderer Ansicht G. Mecyer, Das
Verw.R. 1 §5 65; unbestimmt Wielandt a. a. O. S. 229.
4) Mil. Konv. Art. 13 Abs. 1.
5) Eine übersichtliche Darstellung des früheren Rechtszustandes gibt Wielandt, Bad.
Gemeinderecht II. Teil 2. Aufl. in der Einleitung S. 1 ff. Von den älteren Vorschriften sind zu er-
wähnen: die Hofrats--Institution v. 28. Juli 1794 (neue Auflage 1805) d§ 126, 127; das X. Organ.=
Edikt v. 20. April 1803 (im Auszug abgedruckt bei Wielandta. a. O.); das Edikt vom 13. Jan.
1809 (hinsichtlich der Armenpflege der Israeliten), das Edikt v. 28. Mai 1810 Reg. Bl. S. 169,
das Bürgerrechtsgesetz v. 31. Dezember 1831 und der Eisenacher Vertrag v. 11. Juli 1853 (Reg.
Bl. 1854 S. 229).
6) G.u. VO Bl. S. 387.