314 Die innere Verwaltung Das Armenwesen. 8 102
Besondere, lediglich für die Armenverwaltung bestimmte, Organe sind gesetzlich
nur in den Gemeinden vorgeschrieben. In den StO. Städten ist für die Verwaltung
des Armenwesens eine besondere „ständige Kommission“ einzurichten, über deren
Zusammensetzung das Gesetz zum Teil zwingende Vorschriften gibt 1).
In den übrigen Gemeinden hat sich zur Verwaltung der Armenpflege der Ge-
meinderat durch Zuziehung eines Ortspfarrers jeder Konfession, des Armenarztes
(bezw. des Bezirksarztes) und des in der Gemeinde eventuell die Ortspolizei ver-
waltenden staatlichen Beamten zu verstärken. Seit der Novelle zur Gem. Ordg. vom
19. Okt. 1906 kann in den Gemeinden mit mindestens 2000 Einwohnern an die Stelle
des verstärkten Gemeinderates, der den Namen „Armenrat“ führt, ebenfalls eine
ständige Kommission treten, der dann die oben bezeichneten Personen als Mitglieder
angehören müssen, und in die auch Frauen einberufen werden können 2).
Nicht ausgeschlossen ist es selbstverständlich, daß zur Unterstützung des erwähnten
Zentralorgans der lokalen Armenpflege noch weitere Kommissionen eingerichtet, und daß
berufsmäßig oder ehrenamtlich tätige Armenpfleger angestellt werden. In den Städte-
ordnungsstädten erfolgt der weitere Ausbau der lokalen Armenverwaltung durch das
die Stadtverfassung festlegende Statut, in den übrigen Gemeinden von über 2000
Einwohnern durch den analogen Gemeindebeschluß, eventuell unter Anwendung der
für die kleineren Gemeinden allein verwendbaren Vorschrift des § 27 des Armen-
gesetzes.
Eine gesetzliche Vorschrift, nach welcher die Orts-Armenverbände in gewissen
Fällen zur Erfüllung ihrer eigenen Aufgaben die Hilfe der Landarmenverbände in
Anspruch nehmen können, besteht nicht. Wohl aber sind umgekehrt die Kreisverbände
befugt, die ihnen obliegende Verpflegung eines Hilfsbedürftigen gegen Ersatz des
Aufwandes irgend einer Gemeinde des Kreises zu übertragen, ohne daß diese von der
ihr im Freizügigkeitsgesetze gewährten Ausweisungsbefugnis Gebrauch machen dürfte 8).
Die Erstattung der Kosten, welche einem badischen Armenverbande von einem
anderen badischen Armenverband zu ersetzen sind, erfolgt nach einem vom Ministerium
des Innern aufgestellten Tarif4); ebenso ist das Ersatz= und Uebernahmeverfahren
durch besondere Verordnung geregelt 5).
Die Kreise erhalten zur Bestreitung des Landarmenaufwandes feste Jahres-
beiträge aus der Staatskasse 5).
Das Streitverfahren der einzelnen Armenverbände untereinander
bestimmt sich, soweit die badische Gesetzgebung zu seiner Regelung zuständig ist, nach
1) StO. J 19b. Notwendige Mitglieder sind: die Armenärzte, der staatliche Verwalter der
Ortspolizei und ein Ortspfarrer jeder Konfession. In die Kommission können auch Frauen berufen
werden. Vgl. oben § 54.
2) Arm. Ges. § 26; Gde. O. § 53 Abs. 3; § 19 a.
3) Arm. Ges. § 16. Tatsächlich haben die Kreise jedoch den Ortsarmenverbänden ihre Unter-
stützung gewährt, so besonders auf dem Gebiete der Kinderpflege und der Fürsorge für Geistes-
“vnt.ées z 30; VO. des Min. d. J. vom 30. Juli 1888 (G.u. VOl. S. 397) und vom
19. Dez. 1896 (G.u. VOl. S. 550).
5) VO. v. 6. Dez. 1872 (G.u. VOBl. S. 378), geändert durch VO. vom 27. Januar 1877
(G. u. VOl. S. 9).
6) Seit dem Ges. v. 27. Dez. 1891 sind diese Beiträge mit den für die Verwaltung des Kreis-
straßen wesens bewilligten Staatszuschüssen zu einer Summe vereinigt. (Vgl. noch das Ges.
v. 20. Juni 1900.) Vgl. oben *& 95.