316 Die innere Verwaltung. Das Armenwesen. § 102
seinem achtzehnten Lebensjahr an erhält, gelten als vorschüßlich gewährte Darbie-
tungen. Dieselben sind, wenn der Unterstützte zu hinreichendem Vermögen gelangt,
deshalb auch zurückzuerstatten 1). Für den Rückersatz haftet, im Falle daß keine armen
Pflichtteilserben vorhanden und der Nachlaß nicht überschuldet ist, auch die Hinter-
lassenschaft eines früher Unterstützten. Ueber die hiernach den Armenverbänden zu-
stehenden Ersatzansprüche entscheiden die Verwaltungsgerichte.
Als eine wesentlich auch den Interessen der Armenverwaltung dienende vorbeun-
gende Maßregel hat das Gesetz vom 16. August 1900 die Einführung einer Art von
Armenvormundschaft vorgesehen 2), die in der Form einer statutarischen Vorschrift ?)
zu beschließen ist, und die den Organen der Armenverwaltung hinsichtlich der von ihnen
unterstützten Minderjährigen, wenn dieselben in einer Anstalt oder in einer fremden
Familie verpflegt werden, die Rechte und Pflichten eines Vormundes einräumt.
Gegenüber unehelichen Kindern greift diese Vormundschaft auch dann Platz,
wenn diese Kinder in der Familie ihrer Mutter erzogen werden. Die statutarische An-
ordnung kann der Art getroffen werden, daß die Armenvormundschaft sofort obliga-
torisch als Generalvormundschaft eintritt, oder in der Weise, daß die Verwaltung des
Armenverbandes bloß die Ermächtigung erhält, im einzelnen Fall durch Verfügung
ihren Beamten zum Vormunde zu ernennen 4).
Als vorbeugende Maßregeln kommen auf dem Gebiete der Armenpflege neben
der später zu erörternden Zwangserziehung noch die Anordnungen in Betracht, die
auf Grund des § 76 a über das Wirtshausverbot und des § 98 PStr#B. über die
Bestrafung wegen Vernachlässigung der schuldigen Pflege erlassen werden können.
Letztere Vorschrift hat nunmehr durch die inzwischen in das RStr GB. ausgenommene
Ziffer 10 des § 361 eine Ergänzung erfahren 5).
3. Das Verhältnis der Armenverbände zu dritten Personen, die nach öffentlichem
oder bürgerlichem Rechte zur Hilfeleistung gegenüber einem von der öffentlichen
Armenpflege Unterstützten verpflichtet sind, ist bereits im Unt. W G. geregelt s). Das
Landesgesetz begründet umgekehrt aber auch einen öffentlich-rechtlichen Anspruch
zugunsten derzjenigen Dritten, die, ohne dazu verpflichtet zu sein, in einem drin-
genden Falle die einem Armenverbande obliegende Hilfeleistung von sich aus haben
eintreten lassen. Dieser Anspruch entsteht jedoch nur, wenn die Armenbehörde von
der Hilfeleistung sobald als möglich in Kenntnis gesetzt wurde und läuft erst vom Tage
der geschehenen Anzeige an'). Aerzte und Apotheker haben für den Betrag ihrer
Gebühren und Taxen einen öffentlich-rechtlichen Ersatzanspruch an den Armenverband
auch dann, wenn sie zu der geleisteten Hilfe öffentlich-rechtlich verpflichtet waren. Sind
1) §5 des Ges. Daher ist die vor erfolgtem Abschluß der Wählerlisten geschehene Rückzahlung
einer solchen Unterstützung, wenn nicht der „Fall eines vorübergehenden Unglücks“ vorliegt, nicht
geeignet, das Ruhen der Wahlberechtigung zum Landtag auszuschließen (Verf. Urk. 8 35).
2) Art. III und IV des angef. Ges., Art. 136 EG. zum BGB.
3) Dieselbe bedarf der Genehmigung des Min. d. Innern sowie desjenigen der Justiz.
4) Die Mehrzahl der Armenverbände hat die erstere Form gewählt. Eine nähere Darstellung
des Instituts geben Dorner, RPG. S. 592 ff., sowie Dorner und Senga. a. O. S. 678 ff.
5) Vgl. hierzu RStr GB. §361 in der Fassung des RG. vom 12. Mai 1894. Eine Ueberweisung
an die Landespolizeibehörde kann auf Grund der Bestimmungen des § 98 PStrGB. nicht ausge-
sprochen werden.
6) UWG. 7* 62 Das Armengesetz tut seiner nochmals besonderer Erwähnung §& 4 Abf. 2.
7) § 6 des Ges.