Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band V. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (5)

26 Die natürlichen Grundlagen des Staates. Das Staatsvolk. 8 11 
  
sönliche Vergünstigung auf dem Gebiete der Polizei- und Gemeindeverwaltung 
angeht, die landsässigen Grundherren den ehemaligen Reichsrittern gleichgestellt. 
Auf eine gegen dieses Edikt von den Reichsrittern erhobene Beschwerde 
ließ sich die Großherzogliche Regierung, nachdem sie die Beilegung des Streites 
zunächst durch die Erlassung eines unterm 186. April 1819 in einer Beilage 
zum Reg.-Blatt ergangenen sogen. Erläuterungsediktes zu erreichen versucht hatte, 
von neuem auf Verhandlungen ein, die dann in zwei besonderen unterm 
22. April erlassenen Deklarationen ihren Abschluß fanden, deren eine sich mit 
den Reichsrittern beschäftigte, während die andere die Rechtsverhältnisse der 
landsässigen Grundherren behandelte 1). 
Die Rechtsgültigkeit beider Edikte wurde, da sie ohne Mitwirkung der Land- 
stände erlassen waren, zwar auf den Landtagen der Jahre 1831, 1837 und 
1846 von der zweiten Kammer angefochten, eine förmliche Aufhebung der- 
selben ist jedoch nicht erfolgt. Für die Gegenwart besitzt die Frage ihres recht- 
lichen Bestandes keine besondere praktische Bedeutung mehr, da die noch 
geltenden Sonderrechte der Grundherren, soweit sie nicht auf speziellen Ge- 
setzen beruhen, sich alle auf das Edikt vom 23. April 1818 stützen lassen 2). 
Die Vorrechte, die heute noch den Grundherren zustehen, und die, soweit 
privatrechtliche Bestimmungen in Frage kommen, durch den Art. 58 Abs. 2 EG. 
zum BGB. gedeckt werden, sind folgende: 
1. Anteil an der Landstandschaft (Verf.-Urk. § 29) worüber 
unten in § 20 des Textes das Nähere gesagt werden wird )#). 
2. Befugnis zur Ausübung der Ortspolizei im Umfange der 
in ihren grundherrlichen Bezirken gelegenen Schlösser samt Zubehörden in Unter- 
ordnung unter die amtliche Distriktspolizei ). Seit dem Erlaß des PSte#B. 
vom 31. Okt. 1863 erstreckt sich diese Befugnis nur noch auf den Erlaß von 
ortspolizeilichen Strafverfügungen, da bei der in den §§ 23 ff. daselbst vorge- 
nommenen Bestimmung der Kompetenz zum Erlaß von ortspolizeilichen Vor- 
schriften oder polizeilichen Anordnungen der Grundherren nicht gedacht ist. 
Die Grundherren sind weiter, auch außerhalb des grundherrlichen Bezirkes 
von der Polizeistrasgewalt der Bürgermeister insofern ausgenommen, als die letz- 
teren gegen die Grundherren keine Haftstrafen erkennen dürfen 5). 
3. Nach § 100 Gd.-Ordg. sind die Grundherren in den nicht der Städte- 
Ordnung unterstellten Gemeinden, wenn eine Umlage zu beschließen ist, zur 
Beratung des Gemeindevoranschlages einzuladen und mit 
ihren Einwendungen zu hören. Weiter ist denselben von der Vornahme von 
1) Beide abgedruckt im Reg. Bl. 1824 S. 71 und 77. 
2) Eine übersichtliche Darstellung der geschichtlichen Entwickelung des heutigen Rechtszu- 
standes der Grundherren geben: Pfister a. a. O., Bd. II S. 330, Wielandt a. a. O. S. 17 
Anm. 1 und L. Curtaz, Die Autonomie der standesherrl. Familien Badens 1908 (Heidelb. 
Dissert.). Vgl. ferner den Bericht der Petitionskomm. der 2. K. Ldtg. 1845/46 Prot. Beil. H. 7 
S. 289 ff. und Dorner, Bad. RpPolG. S. 537 ff. Ein Verzeichnis der am 1. Januar 1905 
vorhandenen Grundherrschaften findet sich bei Glockner a. a. O. S. 77 ff. 
3) Diejenigen Adeligen, denen der Großherzog das Wahlrecht bei der Grundherrenwahl 
verleiht, werden dadurch noch nicht zu Grundherren. 
4) Gmde. Ordg. 8 6 Abs. 3. 
5) § 131 Ges. die Einf. der RJG. betr. vom 3. März 1879.
	        
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