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Charakteristisch war dem 1868er Gesetz, das doch vor allem die staatliche Eigen-
schaft der Volksschulen aufs schärfste betonen wollte, die Aufnahme des von den Kir-
chen zu erteilenden und zu überwachenden Religionsunterrichtes in den gesetzlichen
Lehrplan, die Beibehaltung der Verpflichtung der Lehrer zur Uebernahme des Or-
ganistendienstes und die abermalige Festlegung des konfessionellen Charakters der
Volksschulen, wenn es auch der Umwandlung derselben in gemischte Schulen wohl-
wollend gegenüberstand 1). Die Loslösung der Lehrer aus dem Verpflichtungsver-
hältnis zur Kirche erfolgte erst im Jahre 1902, die Festhaltung an der Konfessions-
schule dauerte jedoch nur bis zum Jahre 1876. Durch ein unterm 18. Sept. dieses
Jahres erlassenes Gesetz wurden die bisher getrennten Volksschulen der Gemeinden
zu einer einzigen, sogenannten gemischten Volksschule vereinigt, in der grund-
sätzlich Lehrer jeder Konfession Anstellung finden konnten, und in der der Unterricht
mit Ausnahme des Religionsunterrichtes allen Schulkindern ohne Rücksicht auf die
Konfession gemeinschaftlich erteilt werden sollte. Entsprechend wurde auch in der Lokal-
instanz eine neue einheitliche Aufsichtsbehörde bestellt, die durch den Gemeinderat
unter Zuzug des Ortspfarrers einer jeden Konfession sowie eines Lehrers gebildet
wurde. Die Aufnahme des Religionsunterrichtes unter die obligatorischen Unterrichts-
gegenstände und die Verwaltung desselben durch die Kirchen blieben aufrecht erhalten.
Die übrigen seit dem Jahre 1868 ergriffenen gesetzgeberischen Maßnahmen auf dem
Gebiete des Volksschulrechtes erstreckten sich in erster Linie auf die wirtschaftliche
und rechtliche Stellung der Lehrer, sowie auf das Verhältnis der Gemeinden als
Trägerinnen der Schullast gegenüber dem Staate. Die eine derselben, welche mit dem
Gesetze vom 13. Mai 18922) vorgenommen wurde, und die neben anderem auch die
Lehrer dem Beamtengesetze unterstellte, war so tiefgehend, daß sie in formeller Be-
ziehung eine vollständige Umgestaltung der bisherigen äußeren Anordnung des Gesetzes
zur Folge hatte.
An die Reform des Elementarunterrichtes schloß sich vom achten Jahrzehnt des
vergangenen Jahrhunderts beginnend eine Neuordnung des Fortbildungs-
unterrichtes an.
Das Gesetz vom 8. März 1868 hatte die früher erwähnten „zur Befestigung und
Erweiterung der in der Volksschule erworbenen Kenntnisse“ dienenden Einrichtungen,
welche seit der landesherrlichen VO. vom 15. Mai 1834 als „Werktags-Fortbildungs-
schulen"“ und „Sonntagsschulen“ weiter bestanden, ihres obligatorischen Charakters
entkleidet. Mit Gesetz vom 18. Februar 1874 wurde dagegen der Unterrichtszwang,
in der Beschränkung auf einzelne Wochenstunden, in ähnlicher Weise, wie er früher
bestanden, für zwei bezw. ein Jahr wieder auf die schulentlassene Jugend ausgedehnt.
Das Bestreben, den Unterricht in der Fortbildungsschule in möglichst enge Fühlung
mit den Bedürfnissen des praktischen Lebens zu bringen, führte sodann dazu, der
neuen Einrichtung mehr und mehr den Charakter von Fachschulen zu geben, so daß
die auf den allgemeinen Bildungszweck gerichteten Fortbildungsschulen hinter diesen
letzteren sehr zurücktraten. Die Gesetzgebung der neuesten Zeit hat diesen Entwicklungs-
gang ausdrücklich sanktioniert, indem sie den Gemeinden das Recht zur Errichtung
solcher Fachschulen allgemein verlieh und die Besucher dieser letzteren Art von Schulen-
von dem Zwange zur Teilnahme am allgemeinen Fortbildungsunterricht befreite.
Innerhalb der Mittelschulen 3) vollzog sich in dem für die Entwicklung des ganzen
Schulwesens so bedeutungsvollen Jahre 1834 aus den bisherigen „gemeinen Latein-
schulen“ hervorgehend, die Bildung von Realschulanstalten, die mit dem Namen der
„höheren Bürgerschulen“ bezeichnet wurden 1). Ihnen folgte 1868 die Einrichtung
von Realgymnasien 5). Von den höheren Bürgerschulen gaben darauf einzelne den
Lateinunterricht auf und erweiterten sich allmählich zu reinen Realschulen und zu der
erst in neuerer Zeit anerkannten Oberrealschule "), während andere sich in ihrem Lehr-
1) Auch die bestehenden Schulpatronate waren zunächst noch beibehalten. Sie wurden erst
mit dem Gesetz vom 28. April 1870 (G.u. WVOBl. S. 349) aufgehoben.
2) G. u. WOl. S. 169. Vgl. außerdem die Gesetze vom 18. Sept. 1898 (G.u. VO Bl. S. 425),
v. 17. Juli 1902 (S. 187) und v. 19. Juli 1906 (S. 189).
3) Vgl. Joos a. a. O. S. 2f ff.
4) Ldh. VO. v. 15. Mai 1834.
5) Ldh. VO. v. 25. Juli 1868.
6) Ldh. VO. v. 29. Jan. 1884.
Walz, Baden. 28