434 Die innere Verwaltung. Die geistige Verwaltung. 8 126
plan mehr dem Realgymnasium anschlossen und die Bezeichnung Realprogymnasium
erhielten. Als neue Form der Mittelschulen wurden im achten Jahrzehnt des vergan-
genen Jahrhunderts endlich die ursprünglich als Abteilungen der erweiterten Volks-
schule behandelten oder als nichtstaatliche Schulen begründeten „höheren Mädchen-
schulen“ anerkannt 1).
Die Zahl der Hochschulen erfuhr durch die Uebernahme der vorderösterreichischen
Universität in Freiburg und durch die in der Mitte der zwanziger Jahre erfolgte Neu-
begründung der polytechnischen Hochschule in Karlsruhe eine wesentliche Vermeh-
rung. Im Jahre 1908 trat zu derselben die Handelshochschule in Mannheim.
§ 126. Der Elementarunterricht. 1. Soweit nicht besondere völkerrechtliche
Vereinbarungen entgegenstehen, sind alle im Gebiete des badischen Staates wohnen-
den Eltern oder deren Stellvertreter verpflichtet, dafür zu sorgen, daß den unter ihrer
Obhut stehenden Kindern eine gewisse Reihe von Jahren hindurch Elementarunterricht
erteilt wird 2).
Die Erfüllung dieser Verpflichtung hat in erster Linie in der Weise zu geschehen,
daß diese Kinder zum Besuch einer öffentlichen Volksschule angehalten werden, welche
der Staat unter finanzieller Beteiligung der Gemeinden zur Verfügung stellt. Sie
kann aber auch derart erfolgen, daß das schulpflichtige Kind eine andere höhere öffent-
liche Bildungsanstalt oder eine sonstige zugelassene Lehranstalt entsprechender Art
besucht, oder einen von der Schulbehörde für ausreichend erklärten 3) Privatunterricht
empfängt.
Das schulpflichtige Alter dauert vom sechsten bis zum vierzehnten Jahr"). Für
schwächliche oder in ihrer Entwickelung zurückgebliebene Kinder kann der Beginn der
Schulpflicht hinausgeschoben werden; für Mädchen wird auf Verlangen der Eltern
oder deren Stellvertreter die Dauer etwas herabgesetzt 5).
Kinder, die wegen geistiger oder körperlicher Gebrechen nicht mit Erfolg am
Unterricht der Volksschule teilnehmen können, sind zum Besuch derselben nicht an zu-
halten, und Kinder, die infolge ihrer körperlichen, geistigen oder sittlichen Vereigen-
schaftung die Gesundheit oder Sittlichkeit ihrer Mitschüler gefährden könnten, sind aus
der Schule dauernd oder zeitweise zu entfernen. Für den Unterricht dieser Kinder
ist durch besondere Gesetze Fürsorge getroffen worden 7).
Die Durchführung des Unterrichtszwanges, der sich auch auf die Beschaffung der
nötigen Lehrmittel erstreckt, geschieht durch Androhung von Polizeistrafen, die für den
Fall einzelner Schulversäumnisse besonders normiert sind, durch Anschaffung der
erforderlichen Lehrmittel seitens der Gemeinde auf Kosten der Eltern und Fürsorger
sowie durch Anwendung unmittelbaren obrigkeitlichen Zwanges gegen die Schul-
kinder '). Der Ersatz der von der Gemeinde verausgabten Lehrmittelkosten wird nach
den Regeln über die Beitreibung öffentlicher Abgaben eingezogen.
1) Ldh. VO. v. 29. Juni 1877.
2) 1 ff. des Ges.
3) Die Schulbehörde hat das Recht, die im Privatunterrichte stehenden Kinder von Zeit zu
Zeit zu prüfen und eventuell deren Ueberweisung in die Volksschule anzuordnen.
4) Das Schuljahr beginnt an Ostern und die Schulpflicht erstreckt sich auf alle Kinder, die bis
zum 30. Juni das sechste Lebensjahr vollenden.
5) Die Mädchen können zur Entlassung gelangen, wenn sie vor Schluß des Kalenderjahres
(31. Dezemb. einschl.) ihr 14. Lebensjahr vollenden.
6) §& 3 des Ges. und unten §§ 128, 135.
7) & 1 Abs. 3: F 4, & 5 des Ges. § 30 PStrEB. Die Strafen für einzelne Schulversäumnisse
bestehen zunächst in geringfügigen Geldbußen, die für Ortsschulzwecke verwendet und vom Bürger-
meister auferlegt werden. Polizeistrafe tritt hier erst bei wiederholten Bestrafungen ein.