8 138 Die Zwangserziehung. J 457
amtes; es kann jedoch auch das Verfahren, dann aber immer nur im Benehmen mit
dem Bezirksamte, von Amts wegen einleiten. Zur Unterstützung des Bezirksamtes
im Vorverfahren sind die Staatsanwaltschaft, die Polizei-, die Gemeinde= und Schul-
behörden verpflichtet.
Im gerichtlichen Verfahren, das sich nach den Vorschriften des R. über die An-
gelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit bestimmt 1), sind die Eltern, eventuell
der Vormund oder die nächsten Angehörigen und vor allem auch der Gemeinderat und
die Schulbehörde zu hören. Gegen den Beschluß des Vormundschaftsgerichtes steht
denjenigen, denen die Sorge für die Person des Kindes zukommt und dem Bezirks-
amte die sofortige Beschwerde zu, die aufschiebende Wirkung besitzt 2). In dringenden
Fällen kann eine nicht anfechtbare fürsorgliche Unterbringung angeordnet werden 3).
3. Der Vollzug des Gerichtsbeschlusses ist Sache des Bezirksamtes.
Bei ihm liegt die Entscheidung, ob der Zögling in eine Familie gegeben oder in einer
Anstalt untergebracht werden soll 4). Im ersteren Fall ist immer ein besonderer Für-
sorger zu bestellen, der im Verein mit dem Gemeindewaisenrat die Familie und den
Zögling zu überwachen und nach beendeter Zwangserziehung für ein angemessenes
Unterkommen des Zöglings zu sorgen hat. Das Bezirksamt kann den Vollzug auch
einem Ortsarmenverband oder mit deren Zustimmung auch einem Kreisverband oder
Schutzverein übertragen, indem es sich mit der Ueberwachung des Vollzuges begnügt.
Die Anstaltserziehung, auf die immer erst in zweiter Linie abgehoben werden soll,
kann in einer staatlichen Anstalt oder in einer für geeignet erklärten Privat= oder Kom-
munalanstalt erfolgen ).
Soweit die Zuständigkeit des Bezirksamtes reicht, tritt die Tätigkeit der Eltern
und der vormundschaftlichen Organe außer Kraft. Das Bezirksamt handelt auch nicht
wie diese namens des Mündels, sondern als Vertreter des Staates. In allen übrigen
Beziehungen bleiben die elterliche Gewalt und das Vormundschaftsverhältnis jedoch
aufrecht erhalten #).
4. Die Zwangserziehung wird kraft Gesetzes beendigt, wenn der Zögling sein
20. Lebensjahr vollendet, oder im Falle des § 362 Abs. 3 RSt GB., wenn seit der
Verbringung der Verurteilten in die Besserungsanstalt zwei Jahre umlaufen sind.
Ist der Zweck der Zwangserziehung erreicht, oder ist dessen Erreichung in anderer
Weise sichergestellt, so hat die Aufhebungder Maßregel schon vor jenem Zeitpunkte
zu erfolgen. Die Aufhebung ist vom Vormundschaftsgericht oder in den Fällen der
5# 56 Abs. 2 und 362 Abs. 3 RSt GB. von der zuständigen Verwaltungsbehörde zu be-
schließen. Das Bezirksamt kann aber auch, ohne daß es zu einem förmlichen Aufhe-
bungsbeschlusse gekommen, von sich aus in widerruflicher Weise die Einstellung oder
Beschränkung der angeordneten Zwangsmaßregeln verfügen?).
1) R. v. 17. Mai 1898 (Reg. Bl. S. 189 ff. und 771 ff.).
2) 5 3 f. des Ges.
3) 88 3 Abs. 5, 4 Abs. 3 des Ges.
4) Vgl. die im Art. 135 Abs. 2 des EG. zum B#B. erteilten Ermächtigung, deren Voraussetzung
(Unterbringung auf öffentliche Kosten) in Baden erfüllt ist.
5) é& 6 des Ges. ## 19—27 der Vollz. BO. Eine staatliche Erziehungsanstalt besteht bis jetzt in
Flehingen.
6) Vgl. hierzu Dorner und Seng a. a. O. S. 674.
7) 8 8 des Ges.