458 Die innere Verwaltung. Die geistige Verwaltung. § 135
5. Von den Kosten der Zwangserziehung werden diejenigen, welche durch die Hin-
und Rückreise, die Ausstattung und die Beschaffung eines angemessenen Unterkom-
mens bei der Entlassung entstehen, sowie ein Dritteil des Aufwandes für Verpflegung
und Erziehung seitens desjenigen Armenverbandes bestritten, der im Zeitpunkte der
Entscheidung unterstützungspflichtig sein würde, wenn der Aufwand für die Zwangs-
erziehung als eine öffentliche Unterstützung zu betrachten wäre. Der Rest fällt auf die
Staatskasse. Der Armenverband ist auf Verlangen des Bezirksamtes verpflichtet,
die Gesamtkosten vorschüßlich zu bestreiten. Besitzt der Zögling Vermögen, oder sind
leistungsfähige Unterhaltspflichtige vorhanden, so können der Staat und der Armen-
verband anteiligen Ersatz verlangen. Gelangt ein entlassener Zögling erst nachträglich
zu Vermögen, so finden hinsichtlich des Ersatzes die Vorschriften des § 5 des Armen-
Gesetzes Anwendung 1).
Streitigkeiten über die Verpflichtung zur Kostenerstattung sowie über den Um-
fang dieser Verpflichtung entscheiden die Verwaltungsgerichte. Gegen die Verfü-
gungen der Bezirksämter im Vollzug der Zwangserziehung findet eine Klage an den
Verwaltungsgerichtshof nicht statt ?2). Die Beschwerde geht an den Landeskommissär 2).
III. Verhältnis der Glaubensgesellschaften im Staate.
A. Allgemeines.
§5 136. Geschichtliche Uebersicht 50.
Die erste umfassende Regelung des Verhältnisses zwischen dem Staate und den
Religionsgesellschaften erfolgte in Baden durch das (erste) Konstitutionsedikt vom
14. Mai 1807 „über die kirchliche Staatsverfassung“ 5), nachdem das erste und das dritte
der nach dem Anfall der Pfälzischen Lande erlassenen Organisationsedikte bereits
über die Einrichtung des Kirchenregimentes gewisse Anordnungen getroffen und den
durch den § 63 des RDep. HSchl. ausgesprochenen Grundsatz der Duldung auch landes-
rechtlich festgelegt und im Sinne der Annäherung an die volle Freiheit der Religions-
übung erweitert hatten.
Das erste Konstitutionsedikt erkannte den Anspruch auf Anerkennung und Staats-
schutz, das kirchliche Staatsbürgerrecht, nur der evangelischen Kirche beiderlei Kon-
fessionen und der katholischen Kirche zu. Die jüdische Religionsgemeinschaft war „nur
konstitutionsmäßig geduldet“. Anderen Kirchen konnte ebenfalls „nach dem Ermessen
des Regenten eine solche Duldung bewilligt werden“, diese Duldung verstand sich
aber „immer nur unter dem Vorbehalt jederzeitiger Aufkündigung, und sie galt nur
für diejenigen Rechte, die „in der Bewilligungsurkunde ausgedrückt“ waren. Sämt-
liche Kirchen wurden in ihrem den kirchlichen Zwecken dienenden Eigentum bestätigt,
das Vermögen der Ordensgesellschaften wurde dem Staate zugesprochen. Die Be-
setzung der Pfründen und die Anstellung der ständigen, mit einer vom Staate aus-
gehenden Dienstgewalt bekleideten, Diener blieb dem Regenten vorbehalten, soweit
nicht Patronatsrechte Dritter konkurrierten.
Die Kirchengewalt der beiden evangelischen Kirchen war für den Landes-
herrn als das Haupt der Kirche in Anspruch genommen, „welcher Religion er auch für
seine Person zugetan sei“. Der zur Ausübung dieser Gewalt für die ganze evange-
1) 9 des Ges.
2) §5 10 des Ges.
3) § 44 Vollz. V O.
4) Vgll. Pfister, Entw. des bad. StR. Bd. II S. 435 ff. G. Spohn, bad. Staatskir-
chenrecht. Karlsruhe 1868; derselbe: Kirchenrecht der vereinigten ev. protest. Kirchen in Baden.
Karlsruhe 1871 und 1875. A. Joos, im Sammelwerk S. 694 ff. F. H. Heiner, Die Ge-
setze, die kathol. Kirche betr. (in Rosin Handbibl. bad. Ges.). Freiburg i. B. 1890. F. Ammann,
die kirchliche Rechtspersönlichkeit im Großh. Baden, Archiv. f. öff. R. Bd. 24.
5) Reg. Bl. 1807 Nr. 23.