Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band V. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (5)

* 139 Die Verwaltung des kirchlichen Vermögens. 469 
  
liche Straf= oder Zuchtmittel androhen, verhängen oder verkündigen, um die Aus- 
übung oder Nichtausübung öffentlicher Wahl= und Stimmrechte in bestimmter Rich- 
tung herbeizuführen 1). 
6. Einen, besonders für die katholische Kirche nicht unwesentlichen, Eingriff in 
die innere Organisation der Kirchen hat endlich das Ortskirchensteuergesetz vom 26. 
Juli 1888 vorgenommen, indem es bestimmte, daß die örtlichen Verbände von Ange- 
hörigen beider Kirchen, welche zum Zweck der gemeinsamen öffentlichen Religions- 
übung mit regelmäßigem pfarrlichem Gottesdienst im Großherzogtum bestehen, oder 
mit staatlicher Genehmigung künftig errichtet werden, als Kirchengemeinden 
die Eigenschaften einer selbständigen öffentlichen Körperschaft besitzen, deren räum- 
licher Umfang das Kirchspiel ist. Für den Bestand und die Begrenzung der Kirchspiele 
ist der Besitzstand vom 1. Januar 1889 maßgebend. Aenderungen in dem Bestande 
sowie in der Begrenzung der Kirchspiele bedürfen, um „bürgerlich“ wirksam zu werden, 
der staatlichen Genehmigung 2). 
* 139. Die Verwaltung des kirchlichen Vermögens. Nach § 10 des Gesetzes vom 
9. Oktober 1860 wird das den kirchlichen Bedürfnissen, sei es des ganzen Landes, oder 
gewisser Distrikte oder einzelner Orte, gewidmete Vermögen, unbeschadet anderer 
Anordnungen durch die Stifter, unter der gemeinsamen Leitung der Kirche und des 
Staates verwaltet. Bei der Verwaltung des kirchlichen Distrikts= und Ortsvermögens 
müssen die berechtigten Gemeinden vertreten sein. Zu dem „den kirchlichen Bedürf- 
nissen gewidmeten Vermögen“ zählen nicht nur die den Kirchen selbst gehörenden, son- 
dern auch die in selbständigen kirchlichen Stiftungen angelegten Vermögensbestandteile. 
Die Art und Weise, wie die Verwaltung dieses Vermögens zu geschehen hat, ist 
durch die zwei früher erwähnten von der Regierung im Benehmen mit der erzbischöf- 
lichen Kurie und der evangelischen Kirchenbehörde erlassenen Verordnungen vom 
20. November 1861 und vom 28. Februar 1862 näher festgelegt. 
1. Was zunächst das katholische Kirchenvermögen betrifft s), so ist 
a) das Vermögen des erzbischöflichen Tisches, des Domkapitels, der Metro- 
politankirche, des Seminars sowie der unter der unmittelbaren Leitung des Erzbischofs 
oder des Domkapitels stehenden Fonds der freien Verwaltung des Erzbischofs bezw. 
des Domkapitels überlassen. Gleiches gilt bezüglich desjenigen Vermögens, das durch 
Ersparnisse oder neue Stiftungen dem Erzbischofe oder dem Domkoapitel zufällt. 
Jedoch können die Grundstücke und ständigen Fonds, welche von der Regierung zur 
Ausstattung der Metropolitankirche hingegeben wurden, ohne Zustimmung der Re- 
gierung weder veräußert noch belastet werden. Die Regierung hat deshalb auch das 
Recht, sich von dem Bestande der betreffenden Vermögensstücke Kenntnis zu verschaffen. 
b) Das Vermögen der Landkapitel wird von diesen selbst unter Aufsicht 
des erzbischöflichen Ordinariates verwaltet. 
1) K16b in der Fassung des Ges. vom 2. Sept. 1908 (G.u. WOBl. S. 503), welches die weiter- 
gehenden Strafdrohungen dieses Paragraphen sowie die Bestimmung des § 16 des älteren Ge- 
setzes, wonach Geistliche auch dann bestraft wurden, wenn sie nur ihre kirchliche Autorität dazu 
verwendeten, um aus Anlaß öffentlicher Wahlen auf die Wahlberechtigten in einer bestimmten 
Parteirichtung einzuwirken, aufhob. 
2) Art. 1 des OrtsKt##., vergl. hierzu die Ausführung bei Dorner-Seng da. a. O. 
S. 52 Anm. 5. 
3) Ldh. VO. vom 20. Nov. 1861 (Reg. Bl. S. 465)
	        
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