8 139 Die Verwaltung des kirchlichen Vermögens. 471
liegt dem Oberstiftungsrate zugleich auch die Führung der Aufsicht über die Verwal-
tung der Orts= und Distriktsstiftungen, sowie der besetzten und erledigten Pfründen.
Dabei kann er die Mithilfe der Erzbischöflichen Dekane und der Bezirksämter in An-
spruch nehmen. Er besorgt außerdem die „Rechtsvertretung“ des gesamten kirch-
lichen Vermögens 1). Ueber den Stand des Kirchenvermögens hat er alljährlich so-
wohl dem Ordinariate wie der Regierung eine übersichtliche Darstellung einzureichen.
Die Superrevision seiner Rechnungen wird vom Erzbischöflichen Ordinariate oder auf
dessen Antrag von der Oberrechnungskammer vorgenommen.
2. Für die Verwaltung des den Bedürfnissen der evangelischen Kirches)
gewidmeten Vermögens besteht keine oberste gemeinsame Behörde. Die Verwaltung
der kirchlichen Landesfonds (allgemeine und Distriktsfonds), sowie die oberste Aufsicht
über die Verwaltung der kirchlichen Ortsfonds, der besetzten und erledigten Pfründen
wird vielmehr, solange nicht von einer der beiden Beteiligten die Errichtung einer
besonderen gemischten Behörde verlangt wird, von der obersten kirchlichen Behörde,
dem Evangelischen Oberkirchenrate geführt, dessen Mitglieder jedoch
sämtlich der Staatsregierung genehm sein müssen. Die zur unmittelbaren Besorgung
der Verwaltungsarbeit benötigten Rechner der allgemeinen Fonds sowie die Revi-
soren und übrigen Kanzleibeamten werden indessen hinsichtlich ihrer Anstellung ebenso
behandelt wie die entsprechenden Beamten des Oberstiftungsrates 3).
Bezüglich der Verwaltung der Pfründen gilt, was das Verhältnis gegenüber
dem Staate angeht 4), das gleiche wie für die katholische Kirche, auch der Begriff
des örtlichen Kirchenvermögens ist in gleicher Weise bestimmt, unter Weglassung der
speziell katholischen Einrichtungen. Dagegen ist die Führung der Verwaltung des ört-
lichen, für ein einzelnes Kirchspiel bestimmten Vermögens in die Hände des Kirchen-
gemeinderates gelegt, dessen bezüglichen Verhandlungen der Bürgermeister oder
ein evangelisches Mitglied des Gemeinderates mit Stimmberechtigung anwohnt. Der
Ortsrechner bedarf außerdem der Bestätigung seitens der Staatsverwaltungsbehörde.
3. Gemeinsam für beide Kirchen gilt der Grundsatz, daß überall dann,
wenn ein liegendes Kirchengut veräußert, oder wenn in anderer Weise der Grund-
stock eines kirchlichen Fonds verändert, oder wenn die Erträgnisse eines solchen Fonds
zu einem der Stiftung nicht entsprechenden Zweck verwendet werden sollen, auch die
Zustimmung der Staatsregierung einzuholen ist. Ebenso sind derselben auf Ver-
langen die Urkunden, Akten und Rechnungen der einzelnen Fonds vorzulegen, wenn
sie sich von der Erhaltung und der stiftungsgemäßen Verwendung des Kirchenver-
mögens überzeugen will.
Für die einzelnen mit der Vermögensverwaltung betrauten Stellen sind im Ein-
vernehmen zwischen Staat und dem betreffenden Kirchenregiment besondere Dienst-
instruktionen erlassen.
Ueber die Verwaltung gemischter Fonds wird die Aufsicht von Staat und
1) Ueber die hierin liegende Beschränkung der Verwaltungsbefugnisse der untergeordneten
Organe s. Ammann a. a. O. 281 ff. Vgl. ferner VO. vom 7. März 1903 (G.u. WOl. S. 95).
2) Lodh. VO. v. 28. Febr. 1862 (Reg. Bl. S. 87).
3) Für die Vermögensverwaltung zahlt d. Staat einen entsprechenden Beitrag an die Kirche
(in den Jahren 1908 9 jährlich 71 000 M.).
4) Ueber die innerhalb der Ev. Kirche vorgenommene Umgestaltung der Pfründenverwaltung
vergl. unten § 143.