Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band V. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (5)

472 Die innere Verwaltung. Die geistige Verwaltung. 8 139 
  
  
Kirche gemeinschaftlich in der Weise geführt, daß letztere für die kirchlichen Anteile, 
ersterer dagegen für das milde Stiftungsvermögen zuständig ist. 
In steuerlicher Hinsicht genießt das Kirchenvermögen gewisse Begünstigungen, 
sowohl auf dem Gebiet der staatlichen wie auf dem der Gemeindebesteuerung 1). In 
Angelegenheiten der kirchlichen Stiftungen unterbleibt auch jeglicher Sportelansatz 2). 
Die vom Staate als dem Mitverwalter des Kirchenvermögens anteilig zu bestrei- 
tenden Kosten der obersten Vermögensverwaltungsbehörden werden nach Maßgabe 
besonderer bei der Einführung der neuen Beamtengesetzgebung mit den Kirchen ge- 
troffener Vereinbarungen jeweils im ordentlichen Etat vorgesehen 3). 
4. Seit dem Jahre 1876 gewährt der Staat den beiden Kirchen zur Aufbesserung 
des Pfründeeinkommens gering besoldeter Inhaber von Kirchenämtern, auf denen 
die Obliegenheit einer selbständigen Seelsorge ruht, bestimmte Zuschüsse. Die Grund- 
sätze, nach denen diese Leistung, die zunächst bis Ende 1914 in Aussicht genommen ist, 
gewährt werden soll, sind letztmals durch Gesetz vom 18. Mai 1899 festgelegt worden ): 
Bei der Berechnung des Einkommens kommen der Wohnungsgenuß und die 
Akzidenzien sowie die Stolgebühren nicht in Anrechnung; ebenso werden die auf dem 
Ertrage ruhenden Lasten in Abzug gebracht. Die evangelischen Pfarrer sollen nur 
dann etwas erhalten, wenn sie nicht das ihnen nach § 1 des kirchl. Gesetzes vom 12. 
Januar 1895 gebührende Diensteinkommen beziehen, auf keinen Fall aber sollen sie 
mehr empfangen als 1200 Mark jährlich. Die Bezüge der katholischen Pfarrer sind 
den Klassen der Pfründen angepaßt und für den Fall besonders normiert, daß die 
katholische Kirche zur Erhebung allgemeiner Kirchensteuern schreitet 5). 
Der Gesamtbetrag der Zuschüsse des Staates darf für ein Jahr die Summe von 
je 300 000 Mark für jede der beiden Kirchen nicht überschreiten. Der katholischen Kirche 
gegenüber kann der Zuschuß, wenn dieselbe auch bei Erhebung eines gewissen Be- 
trages an allgemeinen Kirchensteuern „) den im Gesetz vorgesehenen Einkommens- 
betrag zu leisten nicht im Stande ist, auf 350 000 Mark erhöht werden. Im übrigen 
werden die staatlichen Leistungen, wenn sie unzureichend sein sollten, entsprechend 
gemindert. 
Auf die staatlichen Zuschüsse, die den einzelnen Pfarrern unmittelbar aus der 
Staatskasse ausbezahlt werden, besteht kein rechtlich verfolgbarer Anspruch. 
In dem angeführten Gesetze ist zugleich mit dauernder Wirkung bestimmt, daß 
die Regelung der Gebühren der Pfründenverweser, ebenso wie die Auflagen an 
einen Pfründeninhaber zur Abgabe eines Teiles des Pfründenertrages und die Ver- 
1) Verm. StG. Is 30 Ziff. 4; 39 Ziff. 3; & 61 Ziff. 2; Gde.(St.) O. § 86 Ziff. 9. 
2) Verw. Geb G. § 20 Ziff. 2. 
3) Mit der evangel. Kirche wurde unterm 1. Juli 1908 eine neue Vereinbarung getroffen. 
Vergl. II. Nachtrag des Staatsvoranschlages für 1908,9 S. 111 ff. 
4) G.u. GOBl. S. 128. Die früheren Gesetze ergingen 1876 am 25. August; 1882 am 15. 
Mai und 1886 am 9. April. Die letzte Verlängerung wurde durch das Gesetz vom 18. Juli 1908 
verfügt (G. u. VOl. S. 319). 
5) Die Klassen sind: Pfründen mit weniger als 1800, 2200 und 2600 Mark Einkommen; nach 
Einführung der allgem. Kirchensteuern bemißt sich der Staatsbeitrag nach dem Dienstalter vom 
Cage der Priesterweihe an gerechnet; die Aufbesserung geht dann bis zu 2800 M. 8# 4, 5 des 
Pesetzes. 
6) 130 000 Mark. §+#9 des Ges.
	        
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