Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band V. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (5)

§ 113 Die evangelisch-protestantische Landeskirche. 485 
  
eingeführt werden. In den vom Großherzog erlassenen kirchlichen Gesetzen ist auf die 
erfolgte Zustimmung der Generalsynode ausdrücklich Bezug zu nehmen. 
Vor dem Schluß einer Synode wird aus vier Mitgliedern derselben ein Syno- 
dalausschusß gebildet, dessen Mitglieder dem Oberkirchenrate als außerordent- 
liche Mitglieder beitreten, um bei wichtigeren Entschließungen zugezogen zu werden 1). 
Der Ausschuß nimmt insbesondere auch an den Prüfungen der Kandidaten teil. 
5. Der Pfarrer?) ist der geistliche Vorsteher der Gemeinde, er hat die kirch- 
liche Ordnung innerhalb derselben zu wahren und die Aufsicht über das Pfründe- 
vermögen zu führen; er hat den Vorsitz im Gemeinderate und in der Gemeindever- 
tretung oder Gemeindeversammlung. 
Die Besetzung erledigter Pfarreien, mit Ausnahme der Patronatsdienste, ge- 
schieht in der Weise, daß der Oberkirchenrat aus der Zahl der bei ihm anzubringenden 
Bewerbungen sechs Namen auswählt und mit Genehmigung des Großherzoges der 
Gemeinde bezeichnet. Diese hat dann das Recht, aus der Reihe der Genannten einen 
Bewerber zu wählen, der hierauf dem Großherzog präsentiert und von ihm zum 
Pfarrer ernannt wird. Unterbleibt die Ernennung, so wird die Stelle aufs neue aus- 
geschrieben und eine neue Wahl vorgenommen. Führt auch diese nicht zu einem dem 
Landesbischofe genehmen Ergebnis, so kann dieser die Stelle ohne Wahl besetzen. 
Ein freies Ernennungsrecht hat der Großherzog hinsichtlich derjenigen Pfarreien, 
um die sich niemand beworben, ebenso kann er von den in einem Jahre zur Gemeinde- 
wahl stehenden Pfarreien fünf auf die Dauer von sechs Jahren unmittelbar besetzen 3). 
Durch kirchliches Gesetz vom 5. September 1861, das seitdem mehrfach geändert 
worden ist, wurden alle Pfarrstellen des Landes nach ihrem Einkommen in bestimmte 
Klassen eingeteilt unter Berücksichtigung des Dienstalters der Geistlichen (uvgl. unten 
Ziff. 7). 
6. Der Oberkirchenrat besteht aus einem Präsidenten und der nötigen 
Anzahl geistlicher und weltlicher Mitglieder nebst dem erforderlichen Kanzleipersonal. 
Die Mitglieder werden vom Großherzog ernannt, sie müssen, wie erwähnt, sämtlich 
auch der Staatsregierung genehm sein. Der Oberkirchenrat ist die oberste Behörde 
der Kirche, durch welche der Großherzog das ihm zustehende Kirchenregiment ausübt 7. 
Gegen seine Entschließungen ist den Beteiligten unter Umständen eine Beschwerde 
an den Landesbischof eröffnet 5). In dringenden Fällen ist der Oberkirchenrat befugt, 
mit Genehmigung des Großherzogs im Einverständnisse mit dem Synodalausschuß 
auch solche Verfügungen, die der Zustimmung der Generalsynode bedürfen, provi- 
sorisch von sich aus zu erlassen. 
Die Bedürfnisse des Oberkirchenrates werden, soweit sie die eigentliche Kirchen- 
1) Soz. B. bei Entschließungen über die Entlassung von Kirchenbeamten, Streichung aus der 
Liste der Kandidaten und Untersuchungen gegen Geistliche wegen der Lehre. §s 89 Ziff. 3 der 
K. Verf. 
2) §#§ 91—105 der K. Verf. 
3) Die Pfarrverweser und Hilfsgeistlichen werden vom Oberkirchenrate ernannt. § 1053 der 
K. Verf. 
4) Vergl. § 110 K. Verf. Nach Ziff. 13 daselbst obliegt dem OKfR. auch: die Erkennung von 
Disziplinarstrafen gegen Geistliche, Kirchenbeamte und Pfarrkandidaten wegen Pflichtverletzung 
und sittlicher Unwürdigkeit. Zur Entlassung bedarf es der Mitwirkung des Synodalausschusses. 
5) &+ 112 K. Verf.
	        
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