8 144 Die israelitische Religionsgemeinschaft. 487
Verwaltungswege erfolgende Aufkündigung, sondern zugleich auch die Anerkennung
der israelitischen Religionsgemeinschaft als einer dem Staate eingefügten öffentlichen
Korporation. Deshalb finden auf diese Gemeinschaft auch grundsätzlich alle Bestim-
mungen Anwendung, die sich aus ihrem öffentlichrechtlichen Charakter für die beiden
christlichen Konfessionen ergeben: die israelitische Religionsgemeinschaft besitzt das
Recht der Ueberwachung und der Besorgung des Religionsunterrichtes, und ihre
geistlichen Funktionäre gelten als öffentliche Bedienstete, die, wo sie in der örtlichen
Seelsorge als Rabbiner tätig sind, den Ortspfarrern gleichgestellt werden 1). Der
israelitischen Religionsgemeinschaft ist auch das Recht der öffentlichen Gottesverehrung
gewährleistet, jedoch nicht in dem gleichen Umfang wie den beiden großen Kirchen 2),
und ohne den Schutz der Vorschriften über die Festtagsheiligung.
Von den beiden christlichen Kirchen unterscheidet sich die israelitische Religions-
gemeinschaft vor allem dadurch, daß ihre Verfassung in ihren Grundzügen durch
staatliche Anordnung festgelegt, und daß auch bei der Führung der Verwaltung, be-
sonders, soweit die oberste Leitung in Betracht kommt, der Staat entscheidend mit-
wirkt.
2. Die Verfassung der israelitischen Religionsgemeinschaft, die seinerzeit
auf dem reinen Konsistorialprinzip aufgebaut war, hat im Jahre 1894 nach Einfüh-
rung des Landeskirchensteuergesetzes den Charakter einer Synodalverfassung erhalten.
Sie ist weiter umgestaltet worden durch die im Jahre darauf erfolgte Erstreckung der
wesentlichen Grundsätze des Ortskirchensteuergesetzes auf die israelitische Gemein-
schaft, sowie durch die im Jahre 1904 vorgenommene Neuordnung der Bezirksver-
fassung ?).
Mitglied der Religionsgemeinschaft ist jeder dem israelitischen Bekenntnisse
angehörende Einwohner des Landes, sofern er nicht nach Maßgabe der Vorschriften
des Ortskirchensteuergesetzes seine Nichtzugehörigkeit zur Gemeinschaft erklärt hat.
Die Gesamtheit der Judenschaft besitzt als Organe den Oberrat und die Synode;
sie gliedert sich in Ortsgemeinden und Bezirksverbände, die beide wie die Gesamt-
heit die Eigenschaft einer juristischen Person des öffentlichen Rechtes besitzen ).
Die Verwaltung der Ortsgemeinden führt der durch Wahl berufene Syna-
gogenrat, dessen Vorsitzender aus seiner Mitte vom Bezirksamt ernannt wird.
In Religionssachen führt der sonst nicht zum Synagogenrat gehörende Rabbiner den
Vorsitz 5). In Fällen von besonderer Wichtigkeit tritt neben den Synagogenrat die
Gemeindeversammlung.
1) Vergl. Ldh. VO. v. 12. Aug. 1862 (Errichtung des Oberschulrates betr.), wo der Ober-
rat der Israeliten ausdrückl. als eine obere Schulbehörde anerkannt war (Reg. Bl. S. 325),
Ferner die Vollzugsinstruktion zum El. Unt. Ges. v. 22. Sept. 1876 (G.u. VOl. S. 309).
2) Die bezügl. Bestimmung im §15 des Ediktes, welches in Notfällen einen Gottesdienst außer-
halb der Synagoge gestattet, hat, den damaligen Verhältnissen entsprechend, immer nur den
Kultus in Orten zum Gegenstand, in denen eine israelitische Gemeinde bereits besteht.
3) Ldh. VO. v. 27. Febr. 1894 (G. u. VOl. S. 47): VOl. d. Ob. R. 1894 Nr. 3 (Syno=
dalordnung, landesherrlich genehmigt am 27. Febr. 1894). VO. des Ob. R v. 6. Sept. 1895
(BOll. Nr. 9) örtliche Besteuerung; auf Grund des Art. 9 des Edikte#e und der Ldh. VO. v.
20. Aug. 1895 (G.u. VO l. S. 359); VO. des Ob. R. v. 25. Okt. 1895 (VO l. Nr. 10) Wahl-
ordnung für die israel. Gemeinden, Geschäftsordnung usw.; VO. des Ob.R, v. 30. Nov. 1904
(BOl. Nr. 9), die Rabbinats= u. Bezirksverfassung betr.
4) Außer dem Edikt v. 1809 vergl. V O. v. 13. März 1827 (Reg.Bl. S. 84).
5) Ldh. VO. vom 15. Mai 1833 (Reg. Bl. S. 131).