38 Die Organisation. Der Großherzog. 8 14
Nach dem Wortlaute des 8 59 wäre anzunehmen, daß der Eigentumsvor-
behalt sich auf alle damals vorhandenen Domänen erstreckt, ohne Rücksicht da-e
rauf, aus welchen Titeln sie erworben, und ob sie dem Regentenhause oder
dem neu entstandenen Staate zugefallen waren 1). Die herrschende Ansicht
mißt jedoch der Erklärung des Begründens der Verfassung eine solch weitgehende
Bedeutung nicht zu und glaubt wohl mit Recht, daß Großherzog Karl, welcher
die Aufnahme der das Privateigentum der Domänen betonenden Klausel ausdrück-
lich verlangt hatte, hier speziell als Familienhaupt gesprochen und deshalb nur
diejenigen Güter im Auge gehabt habe, die, obwohl im Familieneigentum des
Großherzoglichen Hauses stehend, dem Staate zur Verwaltung und Nutzung
überlassen waren; auf die reinen Staatsdomänen habe sich seine Erklärung
nicht bezogen. Eine gerechte Trennung der beiden Arten von Domänen, die
zur Zeit, abgesehen von den besonders ausgeschiedenen Hofdomänen, gemeinsam
vom Staate verwaltet werden, ließe sich nur ermöglichen durch Zurückgehen
auf die einzelnen Erwerbstitel. Eine nur nach allgemeinen Gesichtspunkten
vorgenommene Scheidung wäre unzutreffend 2).
Zweifel bestehen weiter darüber, in wessen Eigentum die landesfürstlichen
Domänen steben, ob in dem des jeweiligen Großherzogs, worauf die Analogie
des Stammgutsrechts hinweist, oder im Eigentum eines anderen Rechts-
subjektes.
Nach dem klaren Wortlaut des §& 59 und nach der Vorgeschichte des mark-
gräflichen Kammergutes ist davon auszugehen, daß hier das Stammgutrecht
keine Anwendung zu finden hat, sondern daß als Eigentümer die als Kor-
poration aufzufassende Großherzogliche Familie anzusehen ist, zu der alle die-
jenigen Personen gehören, welche durch §F 4 der Verf.-Urk. und die Deklara-
tion vom 4. Oktober 1817 als zur Großherzoglichen Familie gehörig bezeichnet
worden sind 3). Der jeweilige Großherzog erscheint dieser Gesamtheit gegen-
über nur als Nutznießer 4).
Daraus, daß die (landesfürstlichen) Domänen als Privateigentum, d. h. nicht
als Staatseigentum, erklärt sind, folgt, daß sie im Falle einer Trennung der
Großherzoglichen Familie vom badischen Staat nicht dem letzteren, sondern der
ersteren folgen, vorausgesetzt, daß dann die für ihre Verbindung mit dem
1) Der Einwand, daß eine derartige allgemeine Disposition über die Domänen auch soweit
dieselben Staatsgut waren, unzulässig gewesen sei, (vgl. Schenkel, Bad. StR. im Marg.
Hdbch. I. Aufl. Sep.-Abdr. S. 8) ist keineswegs stichhaltig, da Großherzog Karl beim Erlaß der
Verfassung die Stellung eines absoluten Herrschers einnahm.
2) Insbes. wäre es rechtlich nicht gerechtfertigt, alle nach der Begründung des Staates
oder gar alle nach dem Jahre 1803 gemachten Erwerbungen als Staatsdomänen, die vorhe-
rigen Agusitionen aber als landesfürstliche zu erklären. Vgl. hierüber zutreffend Degen
a. a. O.
3) Uebereinstimmend Dorner, Bad. Ausf. G. zum BG#B. S. 320 sowie Dorner und
Seng a. a. O. S. 438, was den Ausschluß des bad. Stammgutsrechtes angeht. Die landes-
herrl. Domänen, oder das allgemeine Hausgut des Großh. Hauses werden hier mit Recht als
Stamm., d. h. als Fideikommißgut der badischen Fürstenfamilie bezeichnet.
4) Vgl. vor allem Degen a. a. O. Allerdings befindet der Großherzog sich insofern in
einer wesentlich anderen Stellung wie ein einfacher Nutznießer des bürgerl. Rechtes, als er
als Haupt der Familie das ausschließliche Vertretungsrecht für die Familie besitzt und deshalb
also, soweit die Vorschriften des § 58 Verf. Urk. erfüllt sind, auch ohne Zustimmung der übrigen
Mitglieder zu Veräußerungen befugt ist, vgl. Rehm, a. a. O. S. 333.