Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band V. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (5)

Anhang: Verfassungsurkunde §§8 67a—67 f. 505 
  
  
den Großherzog gebracht werden, wenn dieselbe zuvor der anderen Kammer mit- 
geteilt und dieser Gelegenheit gegeben worden ist, sich darüber auszusprechen. 
IVa. Kon den Anklagen gegen die Minister. 
6 67 a. (Gesetze vom 20. Februar 1868 und vom 24. August 1904.) (1.) Die zweite 
Kammer hat das Recht, die Minister und Mitglieder der obersten Staatsbehörde 
wegen einer durch Handlungen oder Unterlassungen wissentlich oder aus grober Fahr- 
lässigkeit begangenen Verletzung der Verfassung oder anerkannt verfassungsmäßiger 
Rechte, oder schweren Gefährdung der Sicherheit oder Wohlfahrt des Staates förmlich 
anzuklagen. 
(2.) Ein solcher Beschluß erfordert die in den ### 64 und 73 für Verfassungsände- 
rungen vorgeschriebene Stimmenzahl; die Zurücknahme desselben kann mit einfacher 
Stimmenmehrheit geschehen. 
(3.) Das Anklagerecht der zweiten Kammer wird durch die Entfernung des An- 
geklagten vom Dienste, mag sie vor oder nach erhobener Anklage erfolgen, nicht auf- 
gehoben. 
(4.) Im Falle der Verurteilung ist die Entlassung des Angeklagten aus dem 
Staatsdienste zu erkennen. 
(5.) Diese Folge der Verurteilung kann nur auf Antrag oder mit Zustimmung 
der Stände wieder aufgehoben werden. 
(6.) Ueber etwaige Entschädigungsforderungen steht dem Staatsgerichtshof keine 
Entscheidung zu. 
§ 67 b. (Gesetz vom 20. Februar 1868.) (1.) Das Richteramt über die im vorigen 
Paragraphen erwähnte Anklage übt die erste Kammer als Staatsgerichtshof in Ver- 
bindung mit dem Präsidenten des obersten Gerichtshofes und acht weitern Richtern. 
aus, welche aus den Kollegialgerichten durch das Los bezeichnet und der ersten Kammer 
beigeordnet werden. 
(2.) Dem Angeklagten und den Vertretern der Anklage steht ein Ablehnungsrecht zu. 
(3.) Der Präsident der ersten Kammer hat den Vorsitz. Sein Stellvertreter ist 
der Präsident des obersten Gerichtshofes. 
(4.) Das Nähere über die Bildung des Staatsgerichtshofes, sowie das Verfahren 
bei demselben wird durch ein gemeines Gesetz bestimmt. 
§ 67 c. (Gesetz vom 20. Februar 1868.) (1.) Wird ein Minister oder ein Mitglied 
der obersten Staatsbehörde beschuldigt, zugleich mit den in # 67 a erwähnten Ver- 
letzungen, oder auch ohne eine solche, ein Staatsverbrechen oder ein gemeines Ver- 
brechen durch Mißbrauch seines Amts begangen zu haben, so ist die zweite Kammer 
befugt, zu beantragen, daß der Staatsgerichtshof den Beschuldigten wegen dieses 
Vergehens vor das zuständige ordentliche Strafgericht zur Aburteilung verweise. 
(2.) Dieser Antrag ist in den in 3 67 a vorgeschriebenen Formen zu beschließen 
und mit der Anklage, wo eine solche stattfindet, zu verbinden, andernfalls aber selb- 
ständig bei dem Staatsgerichtshof zu stellen. 
§ 67 d. (Gesetz vom 20. Februar 1868.) (1.) Die während der Ständeversamm- 
lung von der zweiten Kammer beschlossene Anklage wird auch nach der Vertagung 
oder dem Schlusse des Landtages von den erwählten Kommissären verfolgt und die 
erste Kammer gilt in Beziehung auf diesen Gegenstand nicht als vertagt oder geschlossen. 
(2.) Dasselbe gilt von der Auflösung der Ständeversammlung, jedoch wird die 
Schlußverhandlung und Entscheidung über die Anklage bis nach Ablauf der in # 44 
der Verfassungs-Urkunde festgesetzten Frist verschoben. 
867 e. (Gesetz vom 20. Februar 1868.) (1.) Hat zur Zeit der Einberufung einer 
neuen Ständeversammlung der Staatsgerichtshof das Urteil noch nicht gefällt, so 
wird derselbe neu gebildet und die zweite Kammer wählt aufs neue die Kommissäre 
zur Vertretung der Anklage. 
(2.) Erfolgt jetzt eine abermalige Auflösung, so bleibt die von der zweiten Kammer 
gewählte Kommission zur Vertretung der Anklage ermächtigt und ebenso der Staats- 
gerichtshof in dem früheren Bestand. 
§.67 f. (Gesetz vom 20. Februar 1868.) (1.) Das Recht der Anklage erlischt drei 
Jahre von dem Zeitpunkte, wo die verletzende Handlung zur Kenntnis des Landtag
	        
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