506 Anhang: Verfassungsurkunde §§8 671—75.
gekommen ist, wenn die zweite Kammer jenes Recht nicht wenigstens durch den Be-
schluß, den Antrag auf Erhebung einer Anklage in Betracht zu ziehen, gewahrt hat.
(2.) Die Anklage kann ferner nicht mehr erhoben werden, wenn die Mehrheit der
zweiten Kammer jene Handlung gebilligt hat.
8 67g. (Gesetz vom 20. Februar 1868.) Verordnungen und Verfügungen des
Großherzogs, welche sich auf die Regierung und Verwaltung des Landes beziehen,
sind in der Urschrift von den zustimmenden Mitgliedern der obersten Staatsbehörde
zu unterzeichnen und gelten nur als vollziehbar, wenn die Ausfertigung von einem
Minister gegengezeichnet ist.
V. Eröffnung der Ständischen Sitzungen, Fo#men der Beratungen.
§s 68. Jeder Landtag wird in den für diesen Fall vereinigten Kammern vom
Großherzog in Person, oder von einem von Ihm ernannten Kommissär eröffnet und
geschlossen.
3 69. (Gesetz vom 17. Februar 1849.) Sämtliche neu eintretende Mitglieder
schwören bei Eröffnung des Landtags folgenden Eid:
Ich schwöre Treue dem Großherzog, Gehorsam dem Gesetze, Beobachtung und
Aufrechterhaltung der Staatsverfassung, und in der Ständeversammlung nur des
ganzen Landes allgemeines Wohl und Bestes, ohne Rücksicht auf besondere Stände
oder Klassen, nach meiner inneren Ueberzeugung zu beraten: So wahr mir Gott helfe!
§ 70. (Gesetz vom 24. August 1904.) Die Annahme eines Entwurfs, sowie die
Ablehnung eines landesherrlichen Vorschlags können in jeder Kammer sowohl nach
Vorberatung in einem besonderen Ausschusse, als auch ohne solche erfolgen, letzteres
aber nur auf Grund einer zweimaligen, durch eine Zwischenzeit von mindestens drei
Tagen getrennten Beratung und Abstimmung. Ein von der einen Kammer an die
andere gebrachter Entwurf oder Vorschlag kann mit Verbesserungsvorschlägen an die
andere Kammer zurückgegeben werden.
§ 71. (Gesetz vom 24. August 1904.) (1.) Zur Gültigkeit der Beschlußfassung einer
Kammer ist, wo nicht ausdrücklich Ausnahmen festgesetzt sind, die Zustimmung der
absoluten Mehrheit der in gesetzlicher Anzahl anwesenden Mitglieder erforderlich.
(2.) Bei gleicher Stimmenzahl gibt die Stimme des Präsidenten die Entscheidung.
(3.) Die Stimmenzahl und das Verfahren bei den von den Kammern vorzuneh-
menden Wahlen wird, unbeschadet der in § 51 enthaltenen Vorschrift, durch die Ge-
schäftsordnungen geregelt.
§ 72. (Gesetz vom 24. August 1904.) Die erste Kammer wird durch die Anwesen-
heit von mindestens fünfzehn, die zweite Kammer durch die Anwesenheit von min-
destens siebenunddreißig Mitgliedern, einschließlich der Präsidenten, beschlußfähig.
8 73. (Gesetz vom 24. August 1904.) (1.) Zur gültigen Abstimmung über Ent-
würfe, durch welche die Verfassung ergänzt, erläutert oder abgeändert werden soll,
wird in beiden Kammern die Anwesenheit von mindestens drei Vierteln der Mit-ä
glieder erfordert.
(2.) Bei Berechnung der drei Viertel werden in der ersten Kammer die im 527
Ziffer 1 bis 3 genannten Mitglieder, wenn sie in der betreffenden Sitzungsperiode
am Landtage weder in Person, noch durch Stellvertreter teilnehmen, nicht gezählt.
8 74. (Gesetz vom 24. August 1904.) (1.) Zur Gültigkeit einer Gesamtabstimmung
nach § 61 Absatz 4 wird erfordert, daß in jeder Kammer die zur Beschlußfassung nötige
Zahl von Mitgliedern anwesend ist.
(2.) Der Entwurf gilt als angenommen, wenn sich bei der Durchzählung die
Mehrheit der in beiden Kammern abgegebenen Stimmen dafür ausgesprochen hat;
bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Präsidenten der zweiten Kammer.
6 75. (Gesetz vom 24. August 1904.) (1.) Außer bei der Eröffnung und bei der
Schließung des Landtags dürfen die beiden Kammern nicht zusammentreten.
(2.) Wenn aber die Beschlüsse beider Kammern voneinander abweichen, kann
auf Anregung der einen oder andern Seite durch Vermittelung der Präsidenten zum
Zweck einer Verständigung ein Zusammentritt der beiderseitigen Kommissionen
stattfinden.