Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band V. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (5)

42 Die Organisation. Der Großherzog. 8 15 
  
agnatischen oder gar der im Hausgesetze vom 4. Oktober 1817 genannten kog- 
natischen Mitglieder der Großherzoglichen Familie 1). Mit der Aufnahme in die 
Verfassungsurkunde ist die Thronfolgeordnung auch den Wandlungen unterworfen, 
denen die einzelnen Teile der Verfassung unterzogen werden können. Ein Vor- 
behalt zu Gunsten der Agnaten oder der Kognaten ist nirgends gemacht 2). Die 
ersteren sind bei Verfassungsänderungen als erbliche Mitglieder der ersten Kammer 
zur Mitwirkung berufen; eine weitergehende Befugnis ist aber auch ihnen nicht 
eingeräumt. Ein Zugeständnis der bezeichneten Art kann insbesondere auch nicht 
daraus abgeleitet werden, daß die Thronfolgeordnung den Kreis der Personen, 
aus dem die künftigen Herrscher hervorgehen sollen, nach einzelnen Linien ge- 
nau umschrieben hat. Daß die Mitglieder dieser Linien durch die Erwähnung 
in der Thronfolgeordnung zu einem gesetzgebenden Faktor für den Fall einer 
Verfassungsänderung erklärt worden seien, wird niemand behaupten wollen, und 
der etwaigen Berufung auf ein durch jene Ordnung begründetes wohlerworbenes 
Recht stünde der Satz entgegen, daß solche Rechte vor der Gesetzgebung keinen 
Bestand haben können. Nach badischem Rechte käme hier nicht einmal die Ver- 
pflichtung zu einer Entschädigung in Frage ?. 
II. Die heute geltenden Einzelvorschriften über die Thronfolge sind, was 
die persönliche Fähigkeit des Thronerwerbers angeht, folgende: 
1. Zugehörigkeit zur Großherzoglichen Familie, d. h. leibliche Abstammung 
aus einer der vom ersten Großherzoge, von Karl Friedrich, begründeten Linien. 
Ein durch Adoption bewirktes Familienband vermag den Mangel einer leib- 
lichen Abstammung nicht zu ersetzen. 
2. Abstammung aus rechtmäßiger Ehe, d. h. der Thronfolger sowie dessen 
Vorfahren bis Karl Friedrich müssen in rechtmäßiger Ehe erzeugt sein #/0. 
Legitimation vermag einen in dieser Hinsicht vorhandenen Mangel nicht zu 
heilen. 
3. Soweit es sich um die Thronfolge im Mannesstamme handelt, Abstam- 
mung aus einer Ehe, zu deren Abschluß die Zustimmung des Großherzoges 
gegeben wurde 5). 
4. Abstammung vermittelt durch ebenbürtige Ehen. Was unter Ebenbürtig- 
1) Uebereinstimmend, im Einklang mit der in ganz Deutschland herrschenden Meinung für 
Baden: Wielandt a. a. O. S. 26, und Glockner a. a. O. S. 44 Anm. J. Ueber die Thron- 
folgerechte der Kognaten vgl. die Schrift von E. Eisenlohr (Diss.), Heidelberg 1905, die eine 
eingehende Darstellung der historischen Entwickelung der badischen Thronfolgeordnung gibt. 
2) Bereits die der heutigen Thronfolgeordnung vorausgehende Sukzessionsakte v. 10. Sept. 
1806 wurde, wenn damals auch die Söhne Karl Friedrichs mitunterzeichneten, von dem letzteren 
„vermöge der erlangten Souveraineté“, also als Staatsgesetz, erlassen. In der Deklaration vom 
4. Oktober 1817 ist die Zustimmung der Agnaten überhaupt nicht mehr erwähnt. 
3) Zum gleichen Resultate, daß nicht nur den Kognaten, sondern auch den Agnaten das Recht 
der Zustimmung zu Aenderungen der Folgeordnung mangelt, müßte man auch dann kommen, 
wenn man den in neuster Zeit von Rehm (a. a. O.) aufgestellten Standpunkte billigen wollte, 
daß das Thronfolgerecht eine vom Staatsrecht unabhängige Grundlage besitze und allein auf dem 
Hausrechte des Fürstenhauses beruhe. Denn nach badischem Fürstenrecht liegt die Ausübung 
der Hausgesetzgebung, worauf unten näher zurückzukommen ist, allein in der Hand des Familien- 
hauptes. Hat dieses aber als Monarch zugestimmt, so ist damit auch der für das Haus bindende 
Wille des Hausgesetzgebers zum Ausdruck gekommen. 
4) Vgl. hierüber sowie zum folgenden vor allem Rehm a. a. O. S. 147, S. 151 ff. 
5) Arg. § 11 des Apanagegesetzes.
	        
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