46 Die Organisation. Der Großherzog. 8 16
erhält die Eigenschaft eines Großherzoglichen Prinzen. Nach der in der Theorie
herrschenden Meinung bedarf die Abdankung zu ihrer Rechtsgültigkeit keiner mini-
steriellen Gegenzeichnung, da es sich hier um die Aufhebung eines Verhältnisses
handelt, dessen Fortsetzung dem Monarchen gegen seinen Willen nicht zugemutet
werden kann 1). Der Wortlaut der Verf.Urk. 8 67g steht dieser Ansicht nicht
im Wege.
Keinen Beendigungsgrund der Throninhaberschaft bildet die erst nach dem
Thronfall eingetretene Regierungsunfähigkeit. Verliert der Monarch die Regie-
rungsfähigkeit, so bleibt er, da eine andere Vorschrift nicht besteht, Thronin-
haber. Es tritt deshalb hier im Gegensatz zu dem Fall, wenn die Unfähigkeit
schon im Moment des Thronanfalles vorliegt, Regentschaft ein ?.
§5 16. Die Stellvertretung des Großherzogs. Der amtliche Sprachgebrauch be-
zeichnet in Baden mit den Worten „Stellvertretung des Großherzogs“ nicht nur das-
jenige Verhältnis, das eintritt, wenn für den Monarchen ein Anderer mit Willen und
im Auftrag des Monarchen die Regierung ausübt (Stellvertretung i. e. S.), sondern
auch die Einrichtung der Regentschaft, die Platz greift, wo der Monarch des
eigenen Willens entbehrt und kraft Gesetzes eine andere Person dazu berufen
wird, als Repräsentant des verhinderten Herrschers zu handeln 3).
I. Die Zulässigkeit der Stellvertretung im engeren Sinn ist
durch keine Gesetzesvorschrift ausdrücklich anerkannt, trotzdem besteht an derselben
kein Zweifel; sie ist auch durch die Gewohnheit sanktioniert. Eine derartige Stell-
vertretung hatte seinerzeit in umfassenderem Umfange während der letzten Lebens-
jahre des Großherzogs Karl Friedrich stattgefunden, sie griff im Jahre 1849 Platz,
als der Großherzog noch außerhalb des Landes weilte, und sie wiederholte sich
bei Erkrankung des Großherzogs Friedrichs 1 im Jahre 1881. Mit der Führung
der Stellvertretung wurde der mutmaßliche Thronfolger und im Jahre 1849 das
Staatsministerium betraut ).
Ueber die rechtliche Stellung des Stellvertreters gelten mangels besonderer
Vorschriften die allgemeinen Grundsätze. Darnach übt der Stellvertreter, soweit
seine Vollmacht, für deren Umfang keine Vermutung besteht, ausreicht, alle Be-
fugnisse des Großherzogs aus und er hat demgemäß Anspruch auf Gehorsam, wie
solcher dem Landesherrn zu leisten ist. Persönliche Vorrechte genießt er nicht.
Er trägt vielmehr für seine Handlungen zivilrechtlich wie strafrechtlich die volle
Verantwortung 5). Weiter ist er aber auch aus dem Vertretungsverhältnisse dem
Großherzoge verantwortlich, in dessen Auftrag er handelt, im Gegensatz zum Re-
genten, der zwar auch an Stelle des Monarchen, aber nicht auf dessen Anwei-
sung, sondern kraft eigenen Rechts tätig wird.
1) Vgl. v. Fritsch, Die Verantwortlichkeit usw. S. 396 ff. Rehm a. a. O. S. 431 a. A.
Anschütz a. a. O. S. 574.
2) Uebereinstimmend Pfister a. a. O. Bd. 1 S. 111 und Wielandta. a. O. S. 30 A. 1.
Vgl. auch das Organ. Edikt v. 26. Nov. 1809, Ziff. 38, das von einer Vormundschaft spricht im Falle
der Erkrankung des Großherzogs.
3) Vgl. z. B. das Patent v. 24. April 1852.
4) Reg. Bl. 1849 S. 307. G.u. VOl. 1881 S. 269; 1882 S. 315. Die Bevollmächtigung des
St. Ministeriums war bereits im Org. Ed. vom 26. Novemb. 1809 vorgesehen.
5) Er kann indessen nicht unter dem Gesichtspunkt der Ministerverantwortlichkeit haftbar ge-
macht werden, da für diese schon ein Träger vorhanden ist.