§ 18 Das Wesen der Landstände. 59
mögen, sondern allein im Namen des Staates, völlig frei und unabhängig inner-
halb des ihnen gezogenen Wirkungskreises, nur dem Gesetze unterworfen.
Weil die Stände als staatliches Organ allein im Staate selbst wurzeln,
können dieselben auch nicht, wozu ihre im politischen Leben übliche Bezeichnung
als Volksvertretung vielleicht zu verleiten vermag, als die Vertreter eines dem
Staate gegenüber stehenden selbständigen Wesens, des Volkes oder der Gesell-
schaft, angesehen werden. Wohl werden die Stände zum größten Teil von den
Inhabern der politischen Rechte im Volke gewählt, aber auch die Wähler bilden
in ihrer Gesamtheit kein besonderes vom Staate unabhängiges Rechtssubjekt, und
ihre Tätigkeit, die sich mit dem Vollzuge des Wahlaktes erschöpft, ist nichts
anderes als eine Organtätigkeit im Staate, der seine wahlberechtigten Angehö-
rigen als unmittelbares primäres Organ zur Bildung des sekundären unmittel-
baren Organs der Stände beruft.
Die heutigen Stände können deshalb, weil bloßes Staatsorgan, im Gegen-
satz zu den Ständen des alten Rechtes, auch niemals als Korporation angesehen
werden mit eigener Rechts= und Vermögensfähigkeit. Alles ihnen etwa zuge-
wiesene Vermögen eignet allein dem Staate, die sogen. ständischen Beamten
sind reine Staatsbeamte 1), und die nach der Verfassung den Ständen zukom-
menden Rechte sind ebenso wie die sogenannten Regierungsrechte des Monarchen
nichts anderes als staatliche Kompetenzen. Daher handelt es sich bei Streitig-
keiten über die Berechtigungen der Stände nicht um eine Entscheidung über
subjektive Rechte, sondern allein um die Aufrechterhaltung der objektiven Rechts-
ordnung 2).
Die Zuständigkeit der Landstände erstreckt sich nicht nur auf das
Gebiet der Gesetzgebung, sondern auch auf das der Verwaltung, vor allem auf
die Finanzverwaltung. Bei der Entscheidung über die streitigen Wahlen ihrer
Mitglieder oder über eine erhobene Ministeranklage üben die Kammern sogar
eine rechtsprechende Tätigkeit aus. Immer aber ist daran festzuhalten, daß die
ständische Kompetenz nur insoweit begründet ist, als dies eine ausdrückliche Vor-
schrift verfügt. Die Stände müssen deshalb, wenn sie irgend eine Zuständigkeit
in Anspruch nehmen wollen, den Beweis führen, daß ein besonderer Rechtssatz
sie dazu ermächtigt, im Gegensatz zum Monarchen, für dessen, unbeschränkte Kom-
petenz die Vermutung spricht. Die Verfassungsurkunde hat diesen schon aus der
Entstehung der ständischen Einrichtung folgenden Grundsatz nochmals ausdrücklich
wiederholt 8).
Die Formen, in denen der Wille der zur staatlichen Mitarbeit berufenen
Stände zur Aeußerung gelangt, sind:
Die Mitwirkung, die Genehmigung, die Kenntnisnahme und die Ueber-
1) Vgl. § 116 d. Beamt. Ges., deren Bezahlung sowie die Bestreitung aller übrigen Kosten
der Ständeversammlung geschieht durch die Staatskasse. Gesch. O. I. K. 74 f. Gesch. O. II. K. § 84 f.
Die betr. Beträge erscheinen im Budget des Gr. Staatsministeriums.
2) Eine subjektive Berechtigung kann nur in Frage kommen, insoweit es sich um die Zulassung,
vwr einzelnen Ständemitglieder zur Bildung des Organes, um Anerkennung ihrer Mitgliedstellung,
andelt.
3) Verf. Urk. § 50.