Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band V. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (5)

§ 18 Das Wesen der Landstände. 59 
mögen, sondern allein im Namen des Staates, völlig frei und unabhängig inner- 
halb des ihnen gezogenen Wirkungskreises, nur dem Gesetze unterworfen. 
Weil die Stände als staatliches Organ allein im Staate selbst wurzeln, 
können dieselben auch nicht, wozu ihre im politischen Leben übliche Bezeichnung 
als Volksvertretung vielleicht zu verleiten vermag, als die Vertreter eines dem 
Staate gegenüber stehenden selbständigen Wesens, des Volkes oder der Gesell- 
schaft, angesehen werden. Wohl werden die Stände zum größten Teil von den 
Inhabern der politischen Rechte im Volke gewählt, aber auch die Wähler bilden 
in ihrer Gesamtheit kein besonderes vom Staate unabhängiges Rechtssubjekt, und 
ihre Tätigkeit, die sich mit dem Vollzuge des Wahlaktes erschöpft, ist nichts 
anderes als eine Organtätigkeit im Staate, der seine wahlberechtigten Angehö- 
rigen als unmittelbares primäres Organ zur Bildung des sekundären unmittel- 
baren Organs der Stände beruft. 
Die heutigen Stände können deshalb, weil bloßes Staatsorgan, im Gegen- 
satz zu den Ständen des alten Rechtes, auch niemals als Korporation angesehen 
werden mit eigener Rechts= und Vermögensfähigkeit. Alles ihnen etwa zuge- 
wiesene Vermögen eignet allein dem Staate, die sogen. ständischen Beamten 
sind reine Staatsbeamte 1), und die nach der Verfassung den Ständen zukom- 
menden Rechte sind ebenso wie die sogenannten Regierungsrechte des Monarchen 
nichts anderes als staatliche Kompetenzen. Daher handelt es sich bei Streitig- 
keiten über die Berechtigungen der Stände nicht um eine Entscheidung über 
subjektive Rechte, sondern allein um die Aufrechterhaltung der objektiven Rechts- 
ordnung 2). 
Die Zuständigkeit der Landstände erstreckt sich nicht nur auf das 
Gebiet der Gesetzgebung, sondern auch auf das der Verwaltung, vor allem auf 
die Finanzverwaltung. Bei der Entscheidung über die streitigen Wahlen ihrer 
Mitglieder oder über eine erhobene Ministeranklage üben die Kammern sogar 
eine rechtsprechende Tätigkeit aus. Immer aber ist daran festzuhalten, daß die 
ständische Kompetenz nur insoweit begründet ist, als dies eine ausdrückliche Vor- 
schrift verfügt. Die Stände müssen deshalb, wenn sie irgend eine Zuständigkeit 
in Anspruch nehmen wollen, den Beweis führen, daß ein besonderer Rechtssatz 
sie dazu ermächtigt, im Gegensatz zum Monarchen, für dessen, unbeschränkte Kom- 
petenz die Vermutung spricht. Die Verfassungsurkunde hat diesen schon aus der 
Entstehung der ständischen Einrichtung folgenden Grundsatz nochmals ausdrücklich 
wiederholt 8). 
Die Formen, in denen der Wille der zur staatlichen Mitarbeit berufenen 
Stände zur Aeußerung gelangt, sind: 
Die Mitwirkung, die Genehmigung, die Kenntnisnahme und die Ueber- 
1) Vgl. § 116 d. Beamt. Ges., deren Bezahlung sowie die Bestreitung aller übrigen Kosten 
der Ständeversammlung geschieht durch die Staatskasse. Gesch. O. I. K. &# 74 f. Gesch. O. II. K. § 84 f. 
Die betr. Beträge erscheinen im Budget des Gr. Staatsministeriums. 
2) Eine subjektive Berechtigung kann nur in Frage kommen, insoweit es sich um die Zulassung, 
vwr einzelnen Ständemitglieder zur Bildung des Organes, um Anerkennung ihrer Mitgliedstellung, 
andelt. 
3) Verf. Urk. § 50.
	        
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