Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band V. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (5)

76 Die Organisation. Die Landstände. 8 22 
  
das unterm 24. Juli 1888 erlassene Beamtengesetz in Anlehnung an Art. 21 
Abs. 1 der R. Verf. in seinem 8 14 Abs. 2 verfügt, daß Beamte zur Teilnahme 
an den Verhandlungen des Landtages keines Urlaubs bedürfen, und 
daß die Stellvertretungskosten in diesem Falle von der Kasse zu tragen sind, 
aus welcher der Beamte sein Diensteinkommen bezieht 1). 
3. Wenn auch nicht auf einer ausdrücklichen Verfassungs= oder Gesetzesbe- 
stimmung beruhend, so besteht doch auf Grund langjähriger parlamentarischer 
Uebung zugunsten der einzelnen Ständemitglieder endlich die Befugnis 
zur Interpellation der Regierung, d. h. die einzelnen Ständemit- 
glieder sind berechtigt, an die Regierung auch über solche Angelegenheiten Fragen 
zu richten, die nicht zur Verhandlung stehen, mit der Wirkung, daß diese Fragen 
zum Gegenstande der Tagesordnung gemacht werden müssen, und daß die Regierung 
verpflichtet ist, sich auf diese Fragen irgendwie zu erklären. Zur Verhütung einer 
mißbräuchlichen Anwendung dieses Interpellationsrechtes haben die Geschäftsord- 
nungen der einzelnen Kammern dessen Geltendmachung an gewisse beschränkende 
Voraussetzungen geknüpft 2). 
4. Als Entschädigung für die Zeitversäumnis und besonders auch für 
den Aufwand, der den Ständemitgliedern infolge der Abwesenheit von ihrem 
Wohnort erwächst, erhalten die Mitglieder der Ständeversammlung mit Ausnahme 
der Prinzen des Großherzoglichen Hauses und der Häupter der standesherrlichen 
Familien 3) für die Dauer ihrer Anwesenheit bei der Tagung und für die er- 
forderlichen Reisetage eine Tagesgebühr von 12 Mark (die in Karlsruhe woh- 
nenden von 9 Mark), außerdem für die Dauer der Tagung, sowie acht Tage 
vorher und nachher freie Fahrt auf den badischen Staatsbahnen 4). Als an- 
wesend gelten die Kammermitglieder vom Tag ihres Eintreffens am Sitzungsort 
bis zum Tag des Schlusses, der Auflösung oder der Vertagung 5) des Landtages, 
vorausgesetzt, daß sie nicht persönlich beurlaubt sind 9). 
Der Schuldner der Diäten ist die Staatskasse. Deren Auszahlung erfolgt 
durch Vermittelung der betreffenden Kammer und ihres Archivars. Bezüglich 
der Entscheidung von Streitigkeiten über einzelne Diätenforderungen sind Be- 
stimmungen nicht getroffen 7). 
5. Die besonderen Verpflichtungen der Ständemitglieder bestehen, soweit sich 
1) Nach § 21 Abs. 2 VO. v. 27. Dez. 1889 sind die betr. Beamten jedoch verpflichtet, der vor- 
gesetzten Behörde von der bevorstehenden Abwesenheit rechtzeitig Kenntnis zu geben. Der & 14 
Abs. 2 Beamt. Ges. bezieht sich nur auf staatliche Beamte im Sinne dieses Gesetzes. Für die 
Beamten der öffentlichen Korporationen einschl. der Kirchen fehlt es an einer analogen Bestimmung. 
2) Gesch. O. I. K. § 41 u. f.; II. K. §& 45 u. f. Ueber die Entwickelung des Interpellations- 
rechtes in Baden vgl. die Ausführungen von Bluntschli Zeitschr. 1869 S. 285 u. ff.; siche auch: 
Jellinek, Verfassungsänderung u. Verfassungswandlung (1906) S. 25. 
3) Diese Ausnahme gilt auch für die nach § 28 Abs. 3 u. 4 Verf. Urk. etwa eintretenden Agnaten. 
4) Eine Diütenzahlung war bereits in der VO. v. 23. Dez. 1818 vorgesehen (5 Gulden). Das 
heutige Recht beruht auf den Gesetzen vom 10. Febr. 1874 (G.u. VOBl. S. 65) und vom 26. Juni 
1906 (G.u. VOl. S. 131). 
5) Der landesherrlichen sowohl, wie der Präsidialvertagung. Wielandt a. a. O. S. 69 
Anm. 3. 
6) Der Empfang der Landtagsdiäten äußert eine Beschränkung auf das Bezugsrecht der Reichs- 
tagsdiäten RG. v. 21. Mai 1906 (Reg. Bl. S. 468). 
7) GO. I. K. § 74 f.; GO. II. K. § 84 u. f. Eine analoge Anwendung des §&* 75 Beamt. Ges. 
ist nicht zulässig. 
 
	        
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