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und damit den Amfang des Kriegsschadens sowie die bisherige Gesetzgebung
über Kriegsschäden vergleichen, so ergibt sich ohne weiteres, daß die Rechts-
gründe des Schadenersatzes, wie sie das bürgerliche Recht ausgestaltet hat,
für den Kriegsschaden versagen. Das liegt vor allem daran, daß wir im
bürgerlichen Recht stets nur einzelne Personen einander gegenübersehen, und
daß die Ermittelung der Schadensursache, der Verschuldung, der Höhe des
Schadens und seiner wirtschaftlichen Verteilung — wenigstens im Ver-
hältnis zu den Kriegsschäden — leicht zu überblicken sind. Bei den Schäden,
die ein Krieg, wie der gegenwärtige, hervorbringt, ist es aber ausgeschlossen,
mit den Begriffen und Grundsätzen des bürgerlichen Rechts zu einer rechtlich
wie wirtschaftlich befriedigenden Lösung zu gelangen. Man wird die Ge-
dankengänge des bürgerlichen Rechts überhaupt verlassen müssen und bei
dem gewaltigen Amfang des Kriegsschadens die Frage von einem Stand-
punkt zu regeln haben, der der Weite und Größe der Verhältnisse entspricht.
Es wird sich dabei ebenso sehr um allgemeine Staatsnotwendigkeiten
handeln, wie um die berechtigten Interessen des einzelnen Bürgers.
Zunächst bietet sich hier eine Begründung dar, die in ihren Quellen auf
naturrechtliche Einflüsse zurückzuführen ist. Man ist allzu leicht geneigt,
einen allgemeinen Anspruch auf Kriegsschadenersatz daraus herzuleiten, daß
der Krieg eben nicht — nach den Begriffen des bürgerlichen Rechts — als
Zufall anzusehen und daher von niemand zu vertreten sei, sondern daß der
Krieg eine Tat des Staates ist. Deshalb, so kann man leicht
meinen, sei auch der Staat verpflichtet, allen Schaden zu ersetzen, der den
einzelnen Bürgern aus dieser Handlungsweise ihres Staates erwächst. Dabei
wirkt unterstützend die Erwägung, daß der einzelne gar nicht in der Lage
gewesen ist, den Ausbruch des Krieges irgendwie zu verhindern oder sich
den Schäden zu entziehen, welche der durch den Staat befohlene Krieg ver-
ursacht hat.
Eine solche Begründung allgemeiner Ansprüche auf Kriegsschaden-
ersatz würde das Wesen des Staates verkennen. Sie geht ausgesprochen
nur von dem Gesichtskreis des einzelnen Bürgers aus und sieht ihm den
Staat gegenüber gestellt, als Lrsächer und als Schuldigen des Kriegs-
schadens. Ebenso aber auch als den allein Zahlungspflichtigen. Der be-
griffliche Fehler dieser Auffassung liegt darin, daß der einzelne Bürger sich
nicht in solcher Weise außerhalb des Staates diesem gegenüberstellen kann,
denn er selbst ist ein Teil des Staates. In Fragen der Ausübung der
Staatsgewalt mag man Staat und Bürger sich getrennt vorstellen. Handelt
es sich aber darum, was von Staats wegen gezahlt werden soll, so ist jeder
Bürger ein Teil des Staates, und die Zahlung kann nicht als eine völlige
Abwälzung vom einzelnen auf den Staat, sondern nur als eine Ver-