Full text: Kriegsschäden und Kriegsschadenersatz.

92 
und damit den Amfang des Kriegsschadens sowie die bisherige Gesetzgebung 
über Kriegsschäden vergleichen, so ergibt sich ohne weiteres, daß die Rechts- 
gründe des Schadenersatzes, wie sie das bürgerliche Recht ausgestaltet hat, 
für den Kriegsschaden versagen. Das liegt vor allem daran, daß wir im 
bürgerlichen Recht stets nur einzelne Personen einander gegenübersehen, und 
daß die Ermittelung der Schadensursache, der Verschuldung, der Höhe des 
Schadens und seiner wirtschaftlichen Verteilung — wenigstens im Ver- 
hältnis zu den Kriegsschäden — leicht zu überblicken sind. Bei den Schäden, 
die ein Krieg, wie der gegenwärtige, hervorbringt, ist es aber ausgeschlossen, 
mit den Begriffen und Grundsätzen des bürgerlichen Rechts zu einer rechtlich 
wie wirtschaftlich befriedigenden Lösung zu gelangen. Man wird die Ge- 
dankengänge des bürgerlichen Rechts überhaupt verlassen müssen und bei 
dem gewaltigen Amfang des Kriegsschadens die Frage von einem Stand- 
punkt zu regeln haben, der der Weite und Größe der Verhältnisse entspricht. 
Es wird sich dabei ebenso sehr um allgemeine Staatsnotwendigkeiten 
handeln, wie um die berechtigten Interessen des einzelnen Bürgers. 
Zunächst bietet sich hier eine Begründung dar, die in ihren Quellen auf 
naturrechtliche Einflüsse zurückzuführen ist. Man ist allzu leicht geneigt, 
einen allgemeinen Anspruch auf Kriegsschadenersatz daraus herzuleiten, daß 
der Krieg eben nicht — nach den Begriffen des bürgerlichen Rechts — als 
Zufall anzusehen und daher von niemand zu vertreten sei, sondern daß der 
Krieg eine Tat des Staates ist. Deshalb, so kann man leicht 
meinen, sei auch der Staat verpflichtet, allen Schaden zu ersetzen, der den 
einzelnen Bürgern aus dieser Handlungsweise ihres Staates erwächst. Dabei 
wirkt unterstützend die Erwägung, daß der einzelne gar nicht in der Lage 
gewesen ist, den Ausbruch des Krieges irgendwie zu verhindern oder sich 
den Schäden zu entziehen, welche der durch den Staat befohlene Krieg ver- 
ursacht hat. 
Eine solche Begründung allgemeiner Ansprüche auf Kriegsschaden- 
ersatz würde das Wesen des Staates verkennen. Sie geht ausgesprochen 
nur von dem Gesichtskreis des einzelnen Bürgers aus und sieht ihm den 
Staat gegenüber gestellt, als Lrsächer und als Schuldigen des Kriegs- 
schadens. Ebenso aber auch als den allein Zahlungspflichtigen. Der be- 
griffliche Fehler dieser Auffassung liegt darin, daß der einzelne Bürger sich 
nicht in solcher Weise außerhalb des Staates diesem gegenüberstellen kann, 
denn er selbst ist ein Teil des Staates. In Fragen der Ausübung der 
Staatsgewalt mag man Staat und Bürger sich getrennt vorstellen. Handelt 
es sich aber darum, was von Staats wegen gezahlt werden soll, so ist jeder 
Bürger ein Teil des Staates, und die Zahlung kann nicht als eine völlige 
Abwälzung vom einzelnen auf den Staat, sondern nur als eine Ver-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.