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man sich darüber klar ist, wie verbesserungsbedürftig das Gerichtsverfahren
innerhalb der einzelnen Staaten noch ist, obwohl doch allenthalben die
Rechtskundigen sowohl wie die Staatsverwaltungen seit langen Zeiten un-
ablässig an der Verbesserung des Verfahrens arbeiten — und wenn man
bedenkt, wie langsam die Fortschritte vor sich gehen, wird man bezweifeln,
ob es möglich ist, für ein viel umfassenderes und viel schwierigeres Gebiet
aus dem Nichts heraus ein Gerichtsverfahren zu schaffen, das allen
Anforderungen des Verkehrs entspricht. Internationale Gerichtshöfe hat
es bisher im wesentlichen nur für die Entscheidung von Streitigkeiten
zwischen Staaten gegeben, und auch da befinden wir uns noch ganz in den
Anfängen der Entwicklung. Man hat bierbei gesehen, wie langsam und
schwerfällig zunächst solche Gerichtshöfe arbeiten, wiewohl an sich die Ver-
fahrensvorschriften, wie sie z. B. das Haager Abkommen vom 18. Oktober
1907 (Röl. 1910, S. 5) enthält, weit einfacher und zweckmäßiger sind,
als eine ganze Zahl von Bestimmungen der deutschen Zivilprozeßorrdnung.
Sucht man das Verfahren dadurch zu beschleunigen, daß man kurze
Ausschlußfristen für die Anmeldung und Begründung von Ansprüchen be-
stimmt, so kann man leicht das Gegenteil von dem erreichen, was man be-
zweckt. Man kann dem Rechtsuchenden dadurch mehr schaden als nützen,
besonders bei Rechtsverhältnissen, deren örtliche Grundlage sich über ver-
schiedene Staaten erstreckt.
Zweifellos stellt der Gedanke eines gemischten Gerichtshofes eines der
Ideale für die Völkerrechtspflege dar. Ideale lassen sich aber nicht mit der
ersten Tat verwirklichen. Hier wie überall kann nur unablässige sorgfältige
Arbeit allmählich zum Ziele führen. Man wird sich daher zunächst begmügen
müssen, wenn man nur Anfänge für eine solche Rechtsbildung schaffen kann.
Ob man gerade jetzt, nach einem solchen Kriege, mit einer Einrichtung
beginnen soll, deren Gedeihen doch schließlich von dem friedlichen Zusammen-
arbeiten der verschiedenen Völker abhängt, wird zu bezweifeln sein. Viel-
leicht möchte zunächst ein anderer Weg sich als gangbar erweisen, der den
Deutschen wesentliche Vorteile bringen, zugleich aber auch einen Fortschritt
des Rechts bedeuten würde.
Bisher hat es als Grundsatz gegolten, von den Zeiten der Römer her,
daß der Kläger sein Recht am Wohnort seines Schuld-
ners suchen müsse. Man hat diesen Grundsatz aus dem römischen
Recht entnommen, die Rechtswissenschaft aller Länder hat ihn aufbewahrt,
ohne daß man sich vielleicht allzusehr über seine Berechtigung Gedanken
gemacht hätte. Das Leben selbst, und insbesondere der Handelsverkehr
haben aber schon seit geraumer Zeit diesen alten Grundsatz durchbrochen und
einen neuen, entgegengesetzten aufgestellt, nämlich den: der Gläubiger
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