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legitimiert, weil sie nicht zur Vertretung des Hoheitsrechtes des Souverains
bestellt ist. Hiernach find namentlich die wider den Fiskus, in vermeintlicher
Vertretung einer einzelnen Provinzial-Verwaltungsbehörde angestellten
Klagen auf Ersatz eines Schadens aus den Zufällen des
Krieges und aus dem Besteurungsrechte, sowie solche Ansprüche an den
Fiskus der Kompetenz der Gerichte gesetzlich entzogen worden, deren Verhand-
lung vor Gericht die Folge gehabt haben würde, über das Hoheitsrecht des
Staats-Oberhaupts zum Abschlusse von Verträgen mit fremden Staaten und
zu Bestimmungen über die Maaßgaben ihrer Erfüllung in privatrechtliche Er-
örterungen verfassungswidrig einzuschreiten. So viel wir übrigens aus den
uns vorliegenden Verhandlungen ersehen, sind es einige Bestimmungen in der
Einleitung zum Landrechte, die das Mißverständnis der Gerichte hauptsächlich
veranlaßt haben. Wenn nämlich in den §§ 73—75 verfügt wird, daß das
Privat--Interesse der Einzelnen dem Gemeinwohl aufgeopfert, der Einzelne da-
gegen für den erleidenden Verlust vom Staate entschädigt werden müsse, so hat
man dieser Bestimmung hin und wieder den Sinn beigelegt, als ob der Landes-
herr sich verpflichtete, diejenigen zu entschädigen, deren Privat-Interesse durch
die Ausübung seiner Hoheitsrechte gefährdet wird. Allein davon abgesehen,
daß eine solche Auslegung des Landrechts, dessen Vorschriften auf privatrecht-
liche Verhältnisse beschränkt sind (§ 1 der Einl.), über seine Grenzen hinaus
zu einem unfruchtbaren und unausführbaren Resultate führen würde, wie sich
namentlich bei Ausgleichung der Kriegsschäden und bei Voll-
ziehung der Steuergesetze genügend ergiebt, darf man nur nicht außer Acht
lassen, daß der Landesherr hier, als Gesetzgeber, zu seinen Unterthanen spricht,
um in den erwähnten Bestimmungen den einfachen Grundsatz zu finden: daß,
wenn das Interesse der Gesamtheit der Einwohner des Staats eine Einrichtung
in der Verwaltung erfordert, die das Privat-Eigenthum des Einzelnen ge-
fährdet, die Entschädigung des Einzelnen aus dem Gesamtvermögen zu leisten
sey. Dieser allgemeine Grundsatz wird an mehreren Stellen des Landrechts
auf spezielle Rechtsverhältnisse angewendet, wie beispielsweise §§ 29—32,
Tit. 8, p. I., 9§ 4—11, Tit. 11, p. I. Jederzeit dagegen, wenn der Landesherr
erforderlich gefunden hat, eine Maaßregel der inneren Verwaltung unmittelbar
durch einen Akt der Gesetzgebung anzuordnen, und wenn hierbei ein Bedürfnis
vorhanden gewesen ist, dem Privat-Interesse vorzusehen, ist die Verpflichtung
zum Schadenersatze aus dem Staatsvermögen besonders festgesetzt worden, wie
3. B. im Zollgesetze vom 26sten Mai 1818, § 19. In allen dergleichen Fällen
findet daher entweder aus dem allgemeinen Grundsatze, § 75 der Einleitung
zum Landrechte, oder aus speziellen Vorschriften des Gesetzgebers, ein Ent-
schädigungsanspruch an das Staatsvermögen im fiskalischen Civilprozesse wider
die betreffende Verwaltungsbehörde statt.
Auch die Vorschrift im § 80 der Einleitung zum Landrechte, nach welcher
Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Oberhaupte des Staates und seinen Unter-
thanen bei den ordentlichen Gerichten erörtert und entschieden werden sollen,
ist mißverstanden worden. Im vorhergehenden § 79 wird der Grundsatz aufge-
stellt: daß die Entscheidung vorfallender Streitigkeiten denjenigen Gerichten
überlassen werden müsse, welche einem jeden Einwohner des Staates durch die
Gesetze angewiesen sind. Im § 80 wird dieser Grundsatz auf die privatrecht-
lichen Verhältnisse des Landesherrn angewendet, um auszudrücken, daß auch
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